28
Nov
2008

Freitag Abend in London

Freitagabend. So spät ises doch gar nicht, wieso ist denn keiner online?
Mit den Kopfschmerzen kann ich nicht schlafen, und da fällt mir ein, warum keine Sau an ihrem PC ist: Wir haben Wochenende. Freitagabend. So’n Scheiß, und ich bin krank. Das schlimmste am Kranksein ist eben einfach dass man sich selbst auf die Nerven geht während man keine Ahnung hat was man den mit sich anfangen soll. Ich bin ein Unternehmungs- Suchtie und es ist mir schon schwer genug gefallen meine Krankmeldung nicht Rückgängig zu machen, die ich auch nur übers Herz gebracht habe, weil ich mich im Moment des Telefonats dem Koma nahe gefühlt habe.
Jetzt sitze ich also da, und warte. Und warte. Worauf? Es wird wirklich keiner online kommen, und wenn dann sind es Menschen, die sowieso nichts zu erzählen haben. DVDs habe ich keine und meine CDs treffen einfach nicht meine Laune heute Abend. Da sitz ich, in London am Wochenende, wo nachts alles lebt, wo jeder, der rausgeht verrückt werden kann, allein in meinem Zimmer, mit dem Laptop auf meinem Bauch und versuche schlafen zu können. Freitagabend in London.

Abschied

Nachdem Englands Küste, das Londoner Marktleben, sein Nightlife, das Musikalische Kulturgut (Chicago) und auch die Shoppingmöglichkeiten erkundet waren stand noch der Besuch bei der Queen auf dem Programm. Die Wachablösung mir Jahrmarktmusik war kurzweilig interessant, das Harrods wartete aber schon. Bis auf einen Snack wurde zwar nichts gekauft aber viel gestaunt über das Angebot, den Reichtum und auch die Freundlichkeit des Personals den armen Touristen gegenüber und die luxuriösen Toiletten. Ein Spaziergang durch den Hyde Park führte am Deutschen Weihnachtsmarkt, dem kitschigen Winter Wonderland vorbei, große Plakate von Germanwings werben mit sich küssenden Pärchen, Kerzen und Glühwein für Nürnberg und andere Real German Christmas Markets.
Nach Deutschland ging es an diesem Tag auch für Judith. Nachdem ich jetzt auch mein Adventsmitbringsel öffnen durfte, ein Teeadventskalender (was es nicht alles gibt…) musste ich sie schon wieder verabschieden. Die 5 Tage vergingen schneller als die letzen beiden seitdem sie weg ist und ich mit einer Erkältung im Bett liege.
Von Pierre kam überraschender Weise sogar ein besorgter Anruf und ich bin mittlerweile ganz schön hin und her gerissen zwischen der bevorstehenden Wiedersehensfreude und dem Abschiedsschmerz.

England, Mutter der Porzellankiste

„Mind the Gap!“. „Please don’t leave your lagguage unattended.” “Keep you belongings at all times with you and tell suspicious items or behaviour to a member of staff” und man beachte: Milchprodukte beinhalten Milch, und Gemüse ist empfehlenswert für Vegetarier.
Ja so sind sie, unsere lieben Nachbarn auf der Insel, immer schön vorsichtig, man weiß ja nie was kommen könnte. Um Bomben in den U-Bahnen vorzubeugen findet man hier keine Mülleimer. Aber sind wir deswegen in Sicherheit?
There’s no Place like London. Während Jack the Ripper hier in East End vor vielen, vielen Jahren sein Unwesen getrieben hat und Sweeny Todd aus der Fleet Street Touristen zu Pastete verarbeitet hat, hat schon Sherlock Holmes Acht gegeben, heute ist es das Security Staff.
Aber was bitte, hab ich mich letztens gefragt, ist suspicious behaviour?
Kleines Erlebnis dazu: Einer dieser Tage, an denen ich mal wieder auf den letzen Drücker, oder vielleicht sogar noch später von daheim weg bin. An der Mile End Station will ich umsteigen. Aber wer ist der Mann da neben mir? Eingewickelt in weiß und hellgrün sitzt er da, einen riesen Leinensack auf eine Sackkarre geschnürt, und etwas, das mit einem Rosenkranz vergleichbar ist in der Hand murmelt er irgendetwas vor sich hin. Ist das sein Abschiedsgebet? Darf ich hier einsteigen? Oder soll ich eine Tube später nehmen? Wenn ich zu spät zur Arbeit komme werden sie mich auslachen. Kann doch schlecht sagen ich hatte Angst vor so einem Maharadscha. Ist es jetzt eigentlich egoistisch dass ich die anderen Menschen auf dem Bahnsteig nicht warne, oder ist es rassistisch, dass ich einem 70 jährigen buckligen Mann unterstelle, dass er ein Terrorist sein könnte.
Vor zwei Jahren war ich noch ahnungslos und begeistert von den vielen bunten Menschen, nach einer Nacht am Stanstad Airport, und einem ungeplant langem Aufenthalt, den wir den Homies von Al -Kaida zuzuschreiben hatten, sieht das heute anders aus. Während ich Platz nehme und der Mann in die Bahn einsteigt muss ich selber den Kopf schütteln. Die nächste kommt 8 Minuten später, im Beerhouse behaupte ich die Zeit vergessen zu haben. Aber lieber einmal umsonst vorsichtig gewesen sein, man kann ja nie wissen. Und beim Ein- und aussteigen immer auf die Lücke achten.

Weihnachtsgans und Nachwehen

Die letzen Nächte waren wie auch die Heutige bitterkalt. Der Bus ist Gott sei Dank fast pünktlich. Mit voller Geschwindigkeit rast er an mir vorbei und erst da merke ich, dass ich vergessen habe zu winken.
Die Weihnachtsfeier ging ziemlich bald auseinander, nachdem das Essen vorbei war und jeder seine Geschenke hatte. Um die Stimmung etwas anzuheizen wurde das Schnapsverbot aufgehoben, es gab Vodka Brause, Jägermeister und Jäger- Bull.
Jetzt erkannte man auch diejenigen, die hier zu Engländern geworden sind, an ihrer Trinkfreudigkeit und der Hingabe des Betrunkenseins. Für mich gab es auch ein paar Kurze, aber die Wirkung blieb aus.
Meine verlangsamte Reaktion merke ich erst, als ich dem Bus zuerst verdutzt hinterher schaue und dann einer rekordverdächtigen Geschwindigkeit hinterher hechte, die Straße entlang zur nächsten Haltestelle. Die rote Ampel gibt mir etwas Vorsprung. 10 Meter vor mir schließt er die Tür, meine drei letzen Schritte werden größer aber meine Hoffnung ist gleich Null als ich mit den Fingerspitzen die geschlossene Tür erreiche und kläglich klopfe. Meine kalte Hand brennt vor Schmerz, der Bus fährt links, blinkt und hält.
Mit rasendem Puls keuche ich ein „Thank you“ und lasse mich auf einen Sitz fallen. „Not bad“ meint der Mann, der vor mir sitzt bewundernd. „ Ich hab ihn an der Haltestelle davor verpasst“ erkläre ich außer Atem. „Hab ich gesehen, nicht schlecht“ meint er nochmals.
Mein Kopf schmerzt, der Schlafmangel macht sich spürbar. Ich muss aufpassen nicht im Bus einzuschlafen.
Eigentlich wäre ich gerne länger im Beerhouse geblieben, aber Alkohol und Zigaretten gehören nicht zu den Mitteln, mit denen man mich locken kann. Der Anfang der Feier war super. Das Essen wurde zusammen zubereitet, es gab für jeden einen Cocktail, eine festliche Rede, Gans und Rotkohl mit Knödeln, Bratapfel und Wichtelgeschenke. Dann war der Zauber vorbei. Bei Schnaps und Karaoke verzogen sich die ersten, die zweiten, manche paarweise, andere zu dritt, die restlichen haben gesungen, schief oder auch richtig, Eva und ich haben uns als Beat box versucht, sie mit etwas mehr Übung, die Auswahl der Lieder wurde mittelmäßig und irgendwann für mich zur Rauswurfmusik.
Die Bow Road heim laufend springt ein Eichhörnchen aus dem Gebüsch, ich erschrecke mich so dass meine Knie kurz zittern und frage mich ob das zu einer Lebensverkürzung führen kann, und wie oft ich Tränen lachen muss um das auszugleichen. Ich weiß selbst nicht, warum ich plötzlich so schlechte Laune habe. Judith ist noch wach, öffnet mir die Tür, ich poltere die Stufen hoch, ignoriere das Bad und meine Zahnbürste und falle ins Bett.

Multikulti

„Oh man, wir hätten das Frühstück ausfallen lassen sollen“ staunt Judith als sie die Halle des Sunday Up Markets in der Brick Lane betritt. Der Anblick von 50 Imbissständen aller Nationalitäten hat auch mich beim ersten Mal total umgehauen. Auch die Vielen Designer Stände und Allerleibuden können einen grauen Londoner Nachmittag richtig bunt machen. Weiter zum Spittelfields erkennt man wirklich das Talent der Londoner, auch die kalte Jahreszeit zu gestalten. Irgendwie wachsen sie einem eben doch ans Herz, die kalten Fische mit ihrer rosa Haut, den orange Haaren und ihrem British Accent.
Es ist die Liebe zu den vielen Details der kleinen Designerstände, wo Künstler jeder Art ihre Arbeit verkaufen. Den selbst gemachten Buttons, Kleider, Taschen, Schmuck sieht man wirklich an, dass sie ein Stück ihres Herstellers selbst sind, in denen diese ganz aufzugehen scheinen.
Manchmal könnte man sogar glauben dass London der Künstler ist, und die Menschen sein Kunstwerk, kalt, grau, aber auch bunt, scharf, laut und voller Leben.
Während Judith sich gar nicht entscheiden kann und sich einen asiatischen Teller bunt mischen lässt ist mir heute nach Pizza. An einem Stand mit Osteuropäischer Musik, Büchern über Gipsys und Kafka auf Englisch bleibe ich stehen und stöbere. Schreibe mir Buchtitel raus, die ich daheim kaufen will. Ich bereue es immer wieder, dass ich im Grunde so wenig über das Land weiß, in dem ich vor 21 Jahren geboren wurde, über Ceausescu, den Kommunismus und das Leben das die Menschen geführt haben, die während des kalten Krieges auf der Ostseite gelebt haben. Der Mann selbst scheint Kroate zu sein, oder Serbe.
In einem Kostümgeschäft kaufe ich Engelsflügel für die Weihnachtsfeier zu der ich eigentlich schon auf dem Weg sein sollte und steck mir beim rausgehen einen Stimmungsring an den Finger. Er ist blau orange marmoriert.
Während ich Judith noch weiterschlendern lasse lauf ich zur Liverpool Street Station, unterstütze sie mit 30 Penny und fahre los in Richtung Old Street zu meiner deutschen Ersatzfamilie.

I got the wirst Hang over ever

Stell dir vor, dass die Erdanziehungskraft
sich vervierfacht hat und dich völlig schafft.
Stell dir vor, du wärst hundert Jahre alt
und man hätt' dich auf 'ner Tragfläche festgeschnallt.
Stell dir vor, man hätte dich beim Iron-Maiden-Konzert
mit dem Ohr an der Membran in die Box gesperrt.
Stell dir vor, du wärst der Frosch, der sich im Mixer dreht -
jetzt weißt du ungefähr, wie's mir heute geht.
Heute krieg ich nix mehr hin,
weil ich total am Ende bin.
Das ist traurig, aber wahr.

(Wise Guys "Was für eine Nacht")

Mit dem Gehirn auf Stand by, und dem Magen auf Konfrontationskurs beginne ich den Tag. Gestern haben wir dem Britenpack gezeigt wie man feiert! Heute sehen sie wie man leidet. Das Frühstück, ein Steakwecken auf dem Borough Market quält sich meine Speiseröhre hinunter, auf mein Personalessen im Bierhaus verzichte ich. Meine ersten Gäste beginnen den Abend mit Schnaps, und wollen mich einladen. Dankend lehne ich ab. Vom Bier, das ich serviere wird mir übel, am liebsten würde ich mich unter die Theke legen und schlafen.
Das Gute an diesem Tag ist definitiv nur dass er zu Ende geht, als ich um 4 Uhr morgens in meinem Bett liege.
Zu meiner Rechtfertigung? Musste eben einfach mal wieder sein ;-)
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The best dog is a Hot Dog

Praktikum in London

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Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:09

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