28
Jan
2009

Alles Easy

Die Party wirkt wie eine Betäubungsspritze, denn mein Gehirn arbeitet komplett gar nicht mehr. Ich schrecke hoch, als mein Handy piepst und Annika schreibt, dass sie sich zum Brunch verspätet. Für 10 min war ich wohl im absoluten Tiefschlaf. Vorsichtshalber stelle ich mir den Wecker und öffne mein Zimmerfenster. Kühle Luft kommt herein, macht mich aber nicht wacher. Der starke Kaffee schmeckt bitter und ich beginne zu frösteln. Mit der Zahnbürste bekämpfe ich halbwegs erfolgreich das tote Tier in meinem Mund und kippe 2 Gläser Wasser nach.
Da fällt mir ein, dass ich besser die letzen Pfundscheine in meinem Portemonnaie gegen die Euro Scheine im Koffer austauschen sollte, aber in meiner zweiten Brieftasche befinden sich nur weitere Pfund. Wie kann das sein? Der schmale Stapel sind niemals die Kaution, und wo ist mein deutsches Geld? Mein Herz beginnt zu rasen, und kalt ist mir plötzlich auch nicht mehr. Ich konnte letzte Nacht meine Zimmertür nicht mehr abschließen, aber ich dachte nicht, dass sich einer an meinem Koffer zu schaffen macht! Ich würde am liebsten losheulen, das darf doch nicht wahr sein! Und schon fliegt mein Gepäck wie in einem Krieg durch das Zimmer. Nein, lass das Geld da sein! Was mache ich jetzt? Papa anrufen? Was kann der schon machen?! Aber einen Rat hat er vielleicht. Sollte ich nicht langsam meine Probleme selber lösen können? Hirngespinste rasen durch meinen Kopf, sodass ich keinen klaren Gedanken fassen kann. Ich durchwühle mein Handgepäck, und die Tasche, die ich gestern bei Pierre noch bei mir hatte. Und plötzlich halte ich ein weißes Couvert in meiner Hand. Deposit steht drauf. Wie kann man nur so bescheuert sein atme ich erleichtert auf. Aber was ist dann mit den Euroscheinen? Ich nehme die Brieftasche erneut in die Hand, und ziehe vorsichtig den kleinen Reisverschluss an der Seite auf. Ich könnte heulen vor Erleichterung. Sitze da, inmitten einem Kleiderchaos mit dem Geld in der, Hand, total benommen und verwirrt.
Während ich, immer noch bala bala in der Birne bin, versuche ich die Sachen wieder ordentlich in den Koffer zu packen, setze mich drauf und versuche mich noch etwas schwerer zu machen. Der Reisverschluss protestiert, gibt aber letztendlich bei und lässt sich schließen.
Nachdem mein Puls wieder unter 200 gesunken ist, spüre ich wieder den Schlafmangel eiskalt meinen Rücken hoch kriechen.
Um Platz im Koffer zu sparen hab ich ein ganz schlaues System des Gepäcktransports ausgeklügelt und ziehe über meine Leggins eine Röhrenjeans und dann eine etwas weiter geschnittene Hose an. Über das Unterhemd ziehe ich ein T-Shirt, und ein weiteres Shirt mit langem Arm. Dann schlupfe ich in einen langen Strickpulli mit Rollkragen und ziehe mir einen noch dickeren Pulli über. Perfekt und ungefähr 5 Kubikzentimeter an Platz gespart. Nur frieren tu ich- im Moment- immer noch.
Als Annika endlich eintrifft bin ich dabei mit den zweiten Kaffee zu machen, überlasse diese Aufgabe allerdings ihr, und verschwinde noch einmal schnell in den 24 Stunden Somerfield, um frische Brötchen zu holen. Wir klauen uns Marcos restlichen Eiervorrat, machen uns ein Jumborührei und auch mein Magen beginnt jetzt, sich besser zu fühlen.
Nachdem Teller und Töpfe- ach bin ich gewissenhaft- nach dem Frühstück gespült sind, und wir auch noch den letzen Kaffe versorgt haben, scheitern wir fast am nächsten Punkt der Tagesordnung…Meine Bettwäsche, die ich Annika überlassen wollte will nicht in ihren Mini Trolli passen, den sie hierfür extra mitgebracht hat. Mit quetschen und drücken lösen wir das Problem, restliche Erbstücke müssen jetzt allerdings in die letzen Plastik Somerfield Tüten weichen. Unser Gepäck Haufen sieht aus wie das Heim eines Obdachlosen. Das uns umhängend und hinterher ziehend machen wir los zur Liverpool Street Station. Wir laufen die Malmesbury Road runter. Jetzt würde ich gerne schreien „STOP! Das geht mir hier alles ein bisschen zu schnell!!“ Ich kann nicht einfach weiter laufen und meine erste kleine Wohnung ohne ein Tschüss zurück lassen. Aber das Gewicht meines Gepäcks, das sich alle hundert Meter verdoppelt, lässt mich gleich auf andere Gedanken kommen. Wieso wurde ich nicht als Paris Hilton geboren? Dann hätte ich allerhöchstens einen Chiuaua in meiner Prada Handtasche, und selbst bei London Nebel eine Sonnenbrille auf und den Rest würden meine Bediensteten übernehmen. Ich schiebe, ziehe und drücke, bleibe an jedem Bordstein hängen, heule, fluche, jammere und klage. Immerhin findet sich ein netter junger Mann, der meinen Koffer die Treppen der Station runter trägt. Glück gehabt!
Ein Glück habe ich mir meine Zeit auf Empfehlung meines Vaters sehr großzügig eingeplant, wir hinken nämlich jetzt schon leicht hinterher.
Eine weitere Lektion erfahren wir an der Station angekommen, als ich hilflos an den 5 Stufen der großen Bahnhofshalle stehe und ein Pulk von 10 Polizisten mit neongelben leuchtenden Hemdchen sich weigert mir seine Hilfe anzubieten und meine theatralischen Versuche bei denen ich fast zusammen breche amüsiert beobachtet bis ein anderer netter Londoner mir seine Hilfe anbietet.
Jetzt nur noch das Ticket schnappen und auf in den Zug. Das Ticket… Wo war es gleich noch mal… Wenn mich in solchen Situationen etwas zur Weißglut bringen kann, dann ist es meine eigene Verwirrt- und Verplantheit. Ich muss mir in Deutschland eine Selbsthilfegruppe suchen, oder am besten gründe ich sie gleich selber „Wie meistere ich mein Leben, wenn ich mir andauernd selbst ein Bein stelle?“
Den Koffer weit offen, Ach! - was ein Anblick, knie ich neben meinem Trolli und wühle. Schöne Scheiße.
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EddiinLondon - 28. Jan, 23:36
ps
und das schlimmste.. Was soll ich jetzt immer lesen...
steffen (Gast) - 28. Jan, 02:28

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Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:09

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