19
Nov
2008

Entscheidungen II

Beobachte die Schildkröte!
Sie kommt nur vorwärts,
wenn sie ihren Hals riskiert
-James Bryant Conant-


Noch exakt einen Monat bis zu meiner Abreise sagt mein Terminplaner. Einen Monat also noch um einen Nachmieter zu finden und eine Entscheidung zu treffen. Eine schwere Entscheidung. Die Kunst aufzugeben.
Ich kann mir jetzt einige entsetze Gesichter vorstellen, und nein, das war jetzt kein Gag um das ganze hier spannender zu machen.
Seit ich hier her kam hat sich einiges geändert. Ich kam hier an, und habe mich weniger fremd gefühlt als in der kleinen Stadt auf der schwäbischen Alb in der ich aufgewachsen bin, wo ich jeden kenne, und wo mich jeder kennt.
Ich wollte noch tiefer in die ganze Kunstspähre eintauchen, aber vielleicht war ich mir damals schon nicht mehr sicher und hab das ganze hier als Bestätigung gebraucht. Ich kann es nicht genau sagen.

Die Menschen die ich hier kennen gelernt habe, die Gespräche die ich hier geführt habe, die Entscheidungen die ich hier getroffen habe, und die Seiten, die ich hier getippt habe, das alles hat mir gezeigt, dass es noch mehr gibt als das was ich kenne, dass ich noch mehr kann, als ich mir zugetraut habe.
Bisher wusste ich von meinem Kunsttalent, und war stolz darauf. Nie habe ich ein Studium in Frage gestellt, nie wurden mir Nächte an der Staffelei lang. Jetzt habe ich das Gefühl, mein Ideenvorrat ist so leer wie die Puppen, mit denen ich hier täglich in der U-Bahn sitze. Als meine Freunde im Sandkasten heute Feuerwehrmann und morgen Pizzabäcker und übermorgen Rennfahrer werden wollten, hab ich mich als zukünftiger Maler vorgestellt. Jetzt will ich Feuerwehrmann, Pizzabäcker und Rennfahrer werden, am besten alles auf einmal.
Alles leuchtet fremd und interessant.

„Fremde Schönheit lockt, nicht weil sie schön, sondern weil sie fremd ist“, mahnt mich Ernst Hauschkas Zitat, das ich mal mit hellblauer Kreide auf meinen Kleiderschrank geschrieben habe.
Könnte ich diese Entscheidung bereuen? Werde ich sie bereuen?
Soll ich „vorsichtshalber“ eine Bewerbungsmappe machen, mich durch ein Selektionsverfahren kämpfen, um am Ende eine der 20 zu sein, die sich gegen die 600 Konkurrenten durchgesetzt hat? Oder es lassen, wie die Schildkröte meinen Hals riskieren, um vorwärts zu kommen, und am Ende das Genick brechen, wenn ich feststelle, dass ich die Zeit zurückdrehen will, und meine Entscheidung rückgängig zu machen?
Ich wollte allein sein, und meine Entscheidungen allein treffen, aber genau jetzt wäre es schön, wenn jemand neben mir wäre und mich einen Moment lang festhalten würde. Sagen würde, bleib mal stehen, schau mal zurück.
Pierre sagt deine Vergangenheit ist eine Last von der du dich am besten immer so schnell wie möglich befreist. Ich kann ihm nicht zustimmen.
Für mich ist Vergangenheit wie ein Keller, wir müssen nicht darin wohnen, aber wir können unsere Erfahrungen und unsere Werkzeuge darin sammeln für Zeiten in denen wir sie brauchen.
Ich will weg von hier. Ich will weiter. Weiterreisen, weiterfragen, weitersuchen.
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