17
Nov
2008

The Day After…

Ähnlichkeiten mit Arschtag sind bei diesem Ausdruck rein zufällig.
Cloey dachte das aber sicher auch, nachdem sie weitere 8 Stunden auf ihr Frühstück warten musste, und ich um 19:00 ihr kurz etwas Whiskas in ihren Napf geschmissen habe, sie mir schnurrend um die Beine schlich, ich ihr den Löffel unter die Nase hielt, und dann auch schon wieder verschwand, Heute keiner, der mit ihr spielen will… Ja das Leben ist halt keine Blumenwiese, auch nicht für eine Katze.
Meine Beine haben gebrannt, meine Hüfte gepocht, den Hunger hab ich vor lauter Müdigkeit nicht gespürt, aber vernünftiger Weise ein paar Wiener mit Brot und Senf gegessen. Danach hatte ich zudem noch Bauchweg. Jeder Fuß wog gefühlte 50 Kilo (was an normalen Tagen eigentlich mein ganzes Gewicht schon fast ausmacht).

In der U-Bahn schlafe ich fast ein, reiße mich aber zusammen, da ich 2-mal umsteigen muss, und so schnell wie möglich nur noch schlafen will.
Aus der U-Bahn raus rufe ich kurz noch meinen Eltern an, vergesse dabei, dass die Festnetznummer billiger gewesen wäre, melde mich lebend, aber müde.
Die Küche gleicht einem Schlachtfeld, auf dem weißen Herd feiern 5 verschiedene Soßen eine Party, der Abfluss des Waschbeckens wird von Nudeln blockiert.
Im leeren Tassenschrank steht ein weißer Laptop (MARCOOOOOOOOOOOOOOO!!!!!) und auch sonst hatte unsere Küchenausstattung 3 Tage Ausgang, und sich wo anders einquartiert.
Die Treppe hoch polternd schwöre ich Rache, aber jetzt bin ich erstmal zu müde dafür. Die Klobrille ist auch vollgepisst, Kompliment.
Ich schlüpfe aus meiner Jeans, falle ins Bett und schlafe ein.

Der eigentliche Arschtag beginnt, als ich gegen 2 oder 3 Uhr morgens aufwache. Der brennende Schmerz in meiner Hüfte lässt mich nichts gutes Ahnen. Dummheiten werden eben sofort bestraft. Ich kenne das Gefühl noch zu gut von meiner Hüftentzündung, die ich mir während meines Abis zugezogen hatte, und die meiner chronischen Laufsucht ein vorzeitiges Ende gesetzt hat. Wach liege ich im Bett und frage mich wie ich hier morgen früh wieder aufstehen soll.
Gefühlte Stunden später schlafe ich schlecht ein, und erschrecke erneut, als ich um 11 am Folgemorgen in die Küche humple.

Jetzt, zweieinhalb Stunden später erstrahlt alles in altem Glanz, auch der Schwamm mit dem ich bei meinem Einzug Toilette und Bad geputzt habe liegt nicht mehr im Spülbecken (ich hab den Jungs ausdrücklich erklärt dass es eklig ist, damit das Geschirr zu spülen, aber da hat Marco auch noch nicht hier gewohnt, weswegen ich ihn als Übeltäter in Verdacht ziehe).

Jetzt will mein Kühlschrankfach gefüllt werden (Ich habe nicht mal mehr Milch für meinen Kaffee…), meine Wäsche gewaschen werden, und ich freue mich schon auf einen Mittagschlaf. Pierre hat von einem neuen Lehrling erzählt, Sie will heute anfangen. Dann lass ich die beiden heute mal unter sich, ist mir zu stressig nach Tower Hill zu fahren.

Guten Morgen London!

Draußen scheint ein Mann eine Rede zu halten. Die Straße entlang laufend brüllt er in ein Mikro. Ich schaue aus dem Fenster, nein, er Telefoniert nur. Etwas lauter als normal halt.
Guten Morgen London.

Mein Blick wandert zum Fensterbrett über dem Kopfende meines Bettes, mein deutscher Wecker sagt 09.45. Kurz darauf fängt mein Handy an zu singen, Alarm blinkt auf dem Display. 9.00 englischer Zeiten. Ich versuche meine .Sinne zu synchronisieren.
Ach ja, Sonntagmorgen, dämmert es mir. 19 Stunden Arbeiten hinter mir, seit ich Freitagabend die Galerie verlassen habe. Aufstehen, duschen, frühstücken, und zurück ins Beerhouse, aus dem ich vor ein paar Stunden erst gekommen bin, und dann wohl noch etwas zu lange mit Philipp und Kaba in der Küche saß, über unser sprachliches Erbgut diskutierend.
Meine 12 Stunden Doppelschicht hängt mir noch in den Knochen, oder besser gesagt in den Beinen. Meine Sohlen brennen bis zu den Waden bei jedem Schritt. Immerhin hab ich den Abend überlebt, dafür aber den Schirm im Umkleideraum liegen lassen. Eine blöde Idee wie ich feststellen muss, denn er regnet.
Guten Morgen London.

Evas Bruder ist heute auf der Durchreise und für ein paar Stunden in London, weswegen wir unsere Schichten getauscht haben. Eigentlich hätte ich heute Morgen noch Cloey füttern sollen, weil Pierre übers Wochenende in Nottingham war, aber ich finde dass ein Bruder Vorrang hat vor einer kleinen verwöhnten Katze. Kann ich heute mal eine Maus fangen, oder sich 5 Stunden gedulden.

Die Bauarbeiten sind heute mal ganz leise. An einem Sonntagmorgen an dem ich sowieso nicht ausschlafen kann.

Guten Morgen, London…

14
Nov
2008

Bleiben sie stehen, ich habe es sehr eillig!

Auch wenn hier um halb 10 noch keiner in einem Office sitzt, so sind dafür die Bauarbeiter voller Tatendrang, und 7 Tage die Woche ab acht Uhr Morgens bei der Arbeit und bereichern mit Presslufthammer, Rüttler, Kettensäge und Bagger die Londoner Geräuschkulisse.
So hab ich mich die letzen Morgen aus dem Bett gequält, noch im Halbschlaf, aber schon mit Tinitus, der sich bald schon wie Migräne angefühlt hat.
Wie das Haus, das neben meinem Fenster gebaut wird aussieht weiß ich nicht, da es hinter großen weißen Planen versteckt ist. Aber es macht Krach. Zu viel Krach!

Gestern war mal wieder Confused Riccardo angesagt. 20 nach verabredet hab ich ihn schon auf Italienisch mit seinem Nachmieter schnattern hören. Nachdem wir noch eine weitere Stunde in der Küche verquatscht hatten machten wir uns mit Leinwänden bepackt auf den Weg nach Bethnal Green zu seiner neuen Wohnung. Die Dachterrasse seiner neuen Wohnung ist einfach ein Traum. Man sieht über den Park, den blauen Himmel, und die belebte Straße mit Marktständen. Einen Kräutergarten hat er auch. „Tell me Edith“ sagt er. Ich mag Italiener, weil sie meinen Namen aussprechen können, ohne dass es wie IIIIIeedissss klingt. „What can I use form my Pasta?“ Was habt ihr Italiener eigentlich immer mit eurer Pasta?
Ich imitiere Marco, wie er immer von DEM Italienischen Grundnahrungsmittel spricht. Riccardo lacht. „Du klingst wie eine richtige Italienerin!“
Ich zerreibe Basilikum und Thymian zwischen meinen Fingern. „Da! Pasta!“ erkläre ich ihm. Er riecht. „Oh jaa! Pasta!“ Auf die Idee selber zu riechen kam er wohl noch nicht. Ich selber packe mir einen Bund Rosmarin ein. Gut für mein Hirn, und in einem heißen Bad auch für meinen schmerzenden Rücken.

Nach einem schwarzen Tee (man wird hier schnell englisch…) und ein paar Keksen (Deutsche, von Mama) zogen wir durch ein paar Galerien und schauten im Institut of Contemporary Arts vorbei.

Um halb 4, wenn es hier bereits am Dämmern ist war ich so alle, dass ich mich am liebsten schon ins Bett gelegt hätte, aber die Schicht im Beerhouse hat schon auf mich gewartet.
Meine Gäste, eine deutsche Meeting Gruppe (Menschen aus allen möglichen Ländern und jeden Alters, die sich hier treffen um Deutsch zu sprechen)waren zwar wirklich nett, aber gingen mir mit ihrer einzeln Zahlerei ziemlich auf die Nerven. Auch die Ausbeute war nicht sonderlich groß, da die Meisten nicht mehr als ein kleines Bier und eine Brezel mit Obazter bestellen wollten.
Endlich wieder daheim hätte ich mich am liebsten ungewaschen mit Jeans ins Bett gelegt. Für meine E-mails hatte ich auch keine Nerven mehr.
„Fahren sie bitte langsam, ich habe es sehr eillig“ hätte jetzt ein alter Freund Konrad Adenauer zitiert. Und er hätte Recht. So n bisschen Rückwärtsgang wäre echt nötig!
Der Morgen hatte wieder mit dem Baustellenlärm begonnen, Schlagbohrer und Motorsäge zum Frühstück. Der Toast, den ich im Backofen vergessen hatte(wir haben keinen Toaster) sah aus wie ein Vollkornkeks und beim zweiten Versuch hab ich mir gleich mal die Hand verbrannt, bevor ich es geschafft hatte das Gas anzuzünden.
Mein Nacken brennt, mein Kopf pocht. Kinder rennen in der Wohnung über uns.
Donnerstag und Wochenendreif. Neben der Arbeit wartet dann auch noch mein Zimmer, das schnellstmöglich an einen Nachmieter vermittelt werden will, und das Wochenende besteht aus „schaffe, schaffe, Miete zahle“. Freitagnacht, Samstag Doppelschicht ab Mittag, und Sonntag. Das kann ja heiter werden.

13
Nov
2008

Marktlücken in London- Oder: Schule fürs Leben

Je länger ich hier bin desto mehr sehne ich mich nach 2 Dingen: Ordnung und Ruhe.
Zuhause war ich der kleine Chaot, der immer Krach macht, am liebsten beim Treppen laufen, aber eigentlich auch sonst immer. Herumliegende Taschentücher- gebraucht natürlich- ich war’s. Mitternächtlicher Imbiss, der das ganze Haus aufweckt, wer sonst…
Ordnung zu halten ist nicht gerade einfach mit 5 Kerlen. Manchmal komme ich mir vor wie die Spülhilfe der WG, wenn ich mal wieder Teller mit Spülmittel bearbeite, oder Töpfe spüle, weil ihnen noch keiner erklärt hat, dass es nicht reicht nach dem Würstchen kochen nur das Wasser weg zu schütten und den Topf in den Schrank zurück zu stellen. Unser Geschirr hat leider auch leine Füße, auf denen es nach dem Spülen einfach ins Regal zurück läuft, aber bevor ich mich jedes Mal aufspiele, erledige ich es eben selbst.
Marco nennt mich „Manager of the House“, was mit seinem italienischen Akzent noch ehrfürchtiger klingt. Riccardo, der mich gestern hier abgeholt war total überrascht von der Ordnung die mit mir kam und auch sicher wieder mit mir gehen wird.

Worauf ich aber keinen Einfluss habe ist der Lärm. Er ist hier allgegenwärtig.
Es brummt, es quietscht, es hämmert, es kreischt, es heult und es dröhnt.
Manchmal würde ich gerne diese Stadt, in der man oft sein eigenes Wort nicht versteht auf „Ton aus“ schalten.
Ruhe-Therapien sind hier eine noch nicht entdeckte Marktlücke.

Während neben mir die Waschmaschine schleudert gurgelt das Spülbecken. Wasser steigt aus dem Abfluss aus und übergibt sich auf das saubere Geschirr.
Dann also noch mal von vorn…

Shopping Nachhilfe

Später kommt noch Marco rein. Ich sitze mit meinem PC tippend in der Küche.
Unter seinem Arm eine riesen Plastiktüte voller Wäsche. Er will wissen wie man sie wäscht. Er stopft Socken, Shorts, Pullis in die Trommel. Darf man das alles zusammen, fragt er planlos, und wie viel Grad, und was kommen jetzt wo rein? Er hält Minhs Weichspüler in die Hand und zeigt auf die offene Schublade der Waschmaschine.
Jetzt reicht’s!

„Ich muss sowieso zum Lidl“, lüge ich. Komm doch mit, dann weißte wo du einkaufen kannst, und besorgst die Waschmittel und Essen“ (und eigene Schokolade-aber das denke ich nur).

„Perfect!“, meint er „I need also some Pasta!“...

Home is where your heart ist

Plötzlich ist London riesengroß. Ich laufe in Richtung Tube, durch die Menschenmasse. Alle sind sie auf dem Heimweg, so wie ich auch. Nur fühle ich mich nicht so. Nach einem stressigen Arbeitstag laufen die Anzüge durch die große Halle der Liverpool Street Station, freuen sich auf ihren Feierabend und ich stehe mitten drin.
Nachdem meine Familie die letzen 3 Tage hier in London verbracht hat, hätte ich sie gerne hier behalten. Es ist nicht fair, wenn man eine sieben Millionen Stadt mit den 3 wichtigsten Menschen teilen muss.
Die Tube steht schon da, und ich steige ein. Die erste Station, an der ich umsteigen muss kommt mir fremd vor. Ist sie auch, denn es ist de falsche. Nach zwei Monaten täglicher Tubefahrerei hab ich es das erste Mal geschafft in eine komplett falsche Tube zu steigen! Ich steige um, und vergesse gedankenverloren dass ich ja umsteigen muss, aber das ist mir auch egal. Müde steige ich später aus der U-Bahn nahe meiner Wohnung, während ein paar junge Deutsche an mir vorbei laufen. Einer von ihnen scheint hier zu leben, der Rest frägt „welche Treppen müssen wir nehmen?“
Das Wochenende hat Samstag morgen begonnen, als ich meine Eltern und meinen Bruder an der Liverpool Street Station abgeholt habe, und nach einem kurzen Check in gleich nach London Bridge geschleift habe, um ihnen im ältesten Viertel Londons, wo sich im elften Jahrhundert die ersten Menschen angesiedelt haben, den Borough Market zu zeigen, der mit seinen über 200 Jahren ebenfalls älteste Markt der Stadt, wo man Gemüse, Früchte und Fleisch in allen Formen bekommt, frisch, getrocknet, gekocht und verarbeitet…bekommt. Für Liebhaber das reinste Schlemmerparadies. Das Wetter war auch very british, was mir aber kaum was ausmachte, auch wenn Sonnenschein wünschenswerter gewesen wäre. Beim Mittagessen in einem Fisch Restaurant mussten wir dann alle feststellen, dass es sich gar nicht anfühlt, als hätten wir uns 2 Monate nicht gesehen. Nachdem ich ihnen die Galerie gezeigt hatte und sie auch Pierre kennen gelernt haben, ging es an den Tottenham Court, wo wir uns im Dominion Theater, wo wir Queen einen Besuch abgestattet haben.
Nein, es gab weder Tee noch Sandwiches.
„We will Rock you“ war eine Aufführung, die wohl vor allem mein Vater als alter Queenfan nicht so schnell vergessen wird, vor allem nicht die Stelle, als Ben Elton mit seiner E-Gitarre auf die Bühne kam, um ein kurzes Solo hinzulegen.
Vielleicht hätte ich ihn bestechen sollen, dass wenn sie hier bleiben wir jeden Tag hier vorbei schauen könnten.
Mein persönliches Highlight war aber das Abendessen, das eigentlich ganz unspektakulär bei mir zu Hause statt fand, aber ich endlich wieder mit der ganzen Familie am Tisch sitzen konnte, und selbst mein Bruder, den man bevor ich weg bin doch recht selten anwesend gesehen hatte dabei war.
Die Küche war eng, der Tisch klein und den Tee gab es aus Gläsern, weil meine Mitbewohner in ihren Zimmern eine private Tassen Sammlung führen, jedoch war das Essen unbeschreiblich. Wie zu Hause!
Müde verabschiedeten mein Bruder, der bei mir übernachtete und ich meine Eltern, die sich auf den Weg zum Hotel machten. Schlafen konnte ich trotzdem nicht. Ich war immer noch richtig aufgedreht vor Freude. Seltsam, mit 15 oder 16 kann man es gar nicht abwarten von zu Hause weg zu kommen, und dann wird man älter, zieht weg, und wünscht sich plötzlich, mehr Zeit mit ihnen verbringen zu können.
Nach einem reichlichen Frühstück im Hotel ging es auf den nahe liegenden Sunday Up Market in Brick Lane, wo man Köstlichkeiten aller Kulturen zu essen bekommt, und die aberwitzigsten Designerkleider, Hippieschmuck, oder traditionelle fernöstliche Massagen.
Bei Sonnenschein machten wir uns auf den Weg nach Westminster, wo sie Benni und seine Freunde kennen lernen durften, und ihm auch von weit oben aus Londons Auge winken konnten. Als Höhenangst geschädigte kann ich trotzdem stolz sagen, dass sich die Überwindung gelohnt hat!
Blutige Geschichten, und informative Fakten gab es danach von Bob, bei einer Führung durch die Folterfestung, dem Tower, über die makabere Experimentierfreudigkeit der alten Engländer. Zum Beispiel, wie man ein Geständnis erpressen kann, wenn man einen Menschen wie eine Kordel zusammenzwirbelt. Oder aber wie Teilzeithenker als Vollzeitalkoholiker einige Versuche brauchten, um eine Enthauptung zu vollstrecken (Der unschuldige, dem zuerst Arm und Schulter abgehackt wurden, bekam immerhin seinen Kopf zurück angenäht, nachdem man den rechtmäßigen Täter gefasst hatte.)
Im einstigen Folterbunker ist jetzt der Souvenir und Geschenke Shop, die moderne Art der Folter laut Bob, der uns darüber in Kenntnis setze, dass das rot blaue Kleidchen das er trägt kein Kostüm ist, sondern die Uniform der königlichen Leibgarde. Nach einem Pflichtbesuch beim größten Diamanten der Welt vertrieben mir Hunger, Müdigkeit und Regenwetter jegliche verbliebene Erkundungsneugier, und so ging es nach einem Abstecher in der Markthalle zum letzen Punkt der Tagesordnung, der Piccadilly Circus, die große belebte Kreuzung mitten in London, mit der bunten leuchtenden Werbung auf der wohl größten Leinwand die ich in meinem Leben gesehen habe und bei meinem ersten Besuch schon so fasziniert war. Nach einer erfolglosen Suche nach einem Pub, das Guinness zapft und nicht komplett überfüllt war (wie können sich Menschen nur sonntagabends in einem Pub dermaßen abschießen?), sind wir in einer amerikanischen Kneipe gelandet, aber immerhin Sitzplätze und Guinness vom Fass!
Ich hätte nichts dagegen gehabt die ganze Nacht Cider und Guinness trinkend sitzen zu bleiben…
Der 43. Geburtstag meiner Mutter begann dann heute Morgen mit Brunch und Bescherung. Das war dann auch der gemütliche Teil des Tages. Während Hunde und Katzen vom Himmel fielen stand uns die Besichtigung der Tower Bridge bevor, welche ungefähr 10 Minuten dauerte, und wir total eingenässt aufgaben uns mit teilweise schon kaputten Schirmen durch Wind und Regen zu kämpfen.
Der Spaziergang zur Millennium Bridge wurde zu einer Busfahrt umorganisiert, und die Besichtigung des Hyde Parks spontan zu einem Besuch in der Tate Modern. Immerhin stand die letzte Sehenswürdigkeit nebenan, mit den Geldgeiern im Eingang, die für eine Besichtigung in der St. Pauls Cathedral 12 Pfund wollten. Von irgendwas muss der liebe Herrgott scheinbar auch leben.
Für die gestressten Nerven gab es dann Kuchen, Kaffe und Earl Grey, bevor sich der schwerste Teil des Tages näherte. Abschied nehmen.
Vielleicht hätte ich ihnen doch den Deal mit den Dauerkarten machen sollen. Jetzt sitze ich mit Tee und Plätzchen aus der Heimat in der Leeren Küche und höre der Waschmaschine beim schleudern zu.
Kazunas Einladung, zusammen mit den anderen aus dem Beerhaus seinen Geburtstag zu feiern bin ich nicht gefolgt. Zum einen war ich viel zu müde, und zum anderen will ich auf den Anruf meiner Eltern warten, die sich melden wollten, wenn sie daheim angekommen sind, was in den nächsten Minuten geschehen dürfte…
Was ich dabei gelernt habe?

You want some Pasta?

Müde liege ich im Bett. Es ist gerade mal acht Uhr Abends, aber der letzte Tag im Parlament und die Schicht danach im Beerhouse haben mich spürbar geschlaucht.
Während ich über Skype mit meinen Eltern telefoniere klopft es an der Tür.
Ein dunkelhaariges großes Supermodel steht vor mir.
Verwundert und etwas skeptisch halte ich Ausschau nach einem Gaul, aber nein, er ist nicht der scheiß Prinz.
Freundlich hält er mir die Hand hin und singt mit italienischem Akzent „Hellou I’m Marco, I’m from Firenze. I’m your niew flatmate. I wantet to cook some Pasta, are you hungry?” Ich verneine, hatte eben Abendbrot. Aber für einen Tee setzte ich mich neugierig zu ihm in die Küche, während er seine duftende Pasta um die Gabel wickelt, und verschlingt.
Ich erkläre unserem Neuling die von mir erstellten Rege in der WG, zeige ihm das Gemeinschaftsregal mit Gewürzen, Öl, Zucker und der aussortierten Schokolade, die mir nicht geschmeckt hat. Nachdem ich ihm meine Zweitausstattung an Bettwäsche borge(er hat nur ein Leintuch dabei) beschreibe ich ihm dann auch noch den Weg zum Primemarkt.

Die Schokolade ist gleich am nächsten Tag aufgegessen. Auch gut, denke ich mir. Den chemischen Bananengeschmack hat bei mir nur Brechreiz ausgelöst.
Am Abend von der Arbeit daheim finde ich mein Goldstück, das kleine Gewürzregal, dass ich extra nicht angerührt hatte, weil ich es meinen Eltern mitgeben wollte, um daheim damit zu kochen aufgerissen und in der Küche verteilt.
MARCOOOOO!!! „I’m sorry! I needed it form y Pasta!” entschuldigt er sich, und schaut dabei wie ein geschlagener Hund, der eigentlich unschuldig ist, weil er ja keine andere Wahl hatte.
Meine Freude wächst, als am nächsten Tag auch meine Kinder Schoko Riegel Packung von halb leer auf einen Riegel geschrumpft ist. Wütend stecke ich die fast leere Packung ganz hinten in den Schrank. Am Abend kann ich auch diese nicht mehr finden. Gab heute wohl Schokoladenpasta…
Wie kann ein 25 Jähriger Mann bei einer 25 Stundenwoche (ich arbeite das Doppelte!!!) es nicht auf die Reihe bekommen, sich das NÖTIGSTE zu besorgen?
Ein orangefarbener Föhn liegt jetzt auch zwischen unseren Töpfen, die Teller stehen bei den Tassen, und die Gläser leisten den Gewürzen Gesellschaft.
„I’m sorry, I didn’t know where to put it. “
Unser Tellerregal hat keine Türen und hängt unübersehbar über Herd und Mikrowelle…

„Ich hab mir eigene Bettwäsche gekauft“ erklärt er mir stolz, während er uns Pasta kocht. Das kann er immerhin, und sogar richtig gut.
„ich weiß“, grinse ich müde. „Ich hab die Verpackungen im Flur weggeräumt“

Ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit

Hoffentlich bin ich nicht zu spät, denke ich, während ich die Stufen der Westminster Station hoch renne. Das Feuerwerk gestern hab ich verpasst, nachdem die U- Bahn gesperrt wurde. Einfach so, dabei war ich ausnahmsweise wirklich gut in der Zeit. Trotzdem wurde der Abend spät, und der Morgen verdammt früh…

Um 10 war ich mit Pierre vor dem Parlament verabredet, jetzt ist es drei nach. Pierre ist nicht da, und auf seinem Handy nicht erreichbar.
Auch wenn ich noch keine Ahnung habe, dass ich heute die wohl bewundernswertesten Menschen in meinem Leben kennen lernen werde, weiß ich, dass ich da unbedingt rein muss.
Da, das ist Raum 106, wie mir der Pförtner erklärt, nachdem ich ihm gesagt habe, dass ich in Begleitung eines Mitgliedes einer Oppositionsgruppe der Iranischen Regierung hier bin, und an einer Sitzung mit teilnehmen darf.
Dann muss ich da eben allein hin laufen, meint er trocken. Allein? Ich? Einfach so durch das Parlament? Ich bin überrascht, wie einfach das geht. Nachdem ich im Eingang ein Schwarz-weiß Verbrecher Foto bekomme, und meine Tasche nach Waffen durchleuchtet wird, spaziere ich durch das Regierungsgebäude, die Türsteher erklären mir freundlich den Weg, keiner fragt mich was ich will und wer ich bin. Ich laufe lange Gänge entlang, rechts und links Statuen von wichtigen Persönlichkeiten, die meisten tragen lange Haare und Strumpfhosen. Die Wände sind vertafelt, haben große Gemälde, oder tragen Inschriften.

Zu Raum 106 führt eine schwere Holztür. Leise öffne ich sie, unsicher, ob ich nicht in eine wichtige Sitzung platze, und mich gleich hunderte Menschen anstarren könnten.
Aber nichts der gleichen.
Zwei Frauen, eine jung, eine alt, beide tragen ein Kopftuch, das sie locker um ihr Gesucht gebunden haben sitzen da und unterhalten sich.
Sie begrüßen mich, und ich frage ob ich hier denn richtig sei. Ich kann keinen Pierre sehen. Das Treffen? Das beginnt um 11 erklären sie. Beide sind sie Flüchtlinge aus dem Iran, beide haben sie Brüder und die ältere sogar einen Mann verloren. Gefoltert und hingerichtet, weil sie gegen den Staat gekämpft haben. Die ältere erklärt mir, dass sie mit ihrer Tochter weg musste, nachdem an ihrer Universität ihre Politische Überzeugung verraten wurde.
Langsam beginnt der Raum sich zu füllen, und da erscheint auch Pierre, der mich knapp verpasst hat, und gewartet hat, weil er von meiner Verspätung überzeugt war.
Auf einem kleinen Tisch steht ein Foto von einem Mann, den ich auf Mitte 40 schätze. Die beiden langen Kerzen rechts und links davon lassen nichts gutes ahnen. „Wer ist der Mann?“ will ich wissen. Seinen Namen habe ich vergessen, ein fremd klingender iranischer Name. Er ist an den Folgen der Folter erlegen erklärt mir eine der Frauen.
Die Richter betreten als letzte den Raum, der jetzt bis auf den letzen Platz gefüllt ist. Nur ein paar sehen europäisch aus. Der Richter, flüstert Pierre mir zu, ist der frühere oberste Richter des Europäischen Gerichtshofs.
Er leitet die Sitzung ein, mit einem Brief. Er ist von einem jungen Mädchen. Sie schreibt, dass wenn sie ihren Vater besucht haben, hat er immer gelächelt. Nichts hat ahnen lassen, wie schlimm die Folter war. Er war immer der Jenige, der in den acht Jahren das schweigen, dass jedes Mal geherrscht hat gebrochen hat. Meistens haben sie über die Schule gesprochen, und er hat sie ermuntert, fleißig weiter zu lernen, dass er stolz sein kann auf sie.
Der Brief ist von der Tochter des Mannes auf dem Foto.
Die Menschenrechte, erhebt der Richter das Wort, sind nicht nur Sache eines Staates, die Menschenrechte betreffen uns alle. Werden sie verletzt, verletzt man das Recht eines jeden Menschen auf der Welt. Und wenn einem Menschen in dieser Hinsicht Unrecht geschieht, so ist es unser aller Pflicht, ihm zu helfen.

2001 wurde er inhaftiert, misshandelt und gefoltert, bis sie ihm 2008 den Schädel eingeschlagen haben und den Brustkorb aufgerissen haben. Etliche Knochen seiner Körpers waren gebrochen und zersplittert, so wurde er der Familie übergeben. Die Strafe, weil er als Menschenrechtler in der Opposition als Staatsfeind galt.
Er ist nur einer von 2 500 wie ich erfahre, und ich frage mich, wie ich jemals von mir behaupten konnte, hohe Ideale zu haben.
Die Folter, fährt er fort, dient dem Zwecke, Falschaussagen zu erzwingen, Angst zu schüren, und Exempel zu statuieren. Menschen, die so vorgehen, müssen Psychopathen sein, die Spaß daran haben, andere Menschen zu quälen.

Es folgt ein Video der Beerdigung. Leise Geigenmusik, dann arabische Musik, Flöten und Gesang. Männer und Frauen in schwarz begleiten einen Sarg, den man unter den vielen Blumen nur vermuten kann. An einem Altar liest eine Frau etwas vor. Ich erkenne den Text, es ist seine Tochter mit dem Brief. Eine große Leinwand zwischen Fackeln zeigt sein Foto, unter freiem Himmel stehen Tausende Trauernde vor der Bühne.

Ich höre ein Schluchzen, die Frau neben mir hat angefangen zu weinen, und auch viele andere können die Trauer nicht unterdrücken. Vielen rinnen Tränen über die Gesichter. Ich reiche der Frau ein Taschentuch, es ist kein angenehmes Gefühl, dass das im Moment alles ist was ich für sie tun kann.

Eine ältere Britin beginnt zu sprechen. Sie hat viele Städte im Iran bereits besucht, hat Opfer, und Familienmitglieder von Opfern getroffen. Sie kann über das Geschehen sprechen, sie kann versuchen dagegen zu kämpfen, aber sie wird nie fühlen können, wie es ist in einem solchen Staat zu leben, immer in der Angst, der nächste sein zu können…

Der Sohn, der später mit dem Richter telefoniert dankt ihm ununterbrochen. Wo er und seine Schwester jetzt sind kann ich nicht ganz verstehen. Er spricht kein Englisch, seine Schwester übersetzt. 8 Jahre Folter konnten seinen Willen nicht brechen. Das sind Menschen vor denen der Staat Angst hat. Und es sind tausende Menschen, deren Willen stärker ist als die Angst.

Den ganzen Tag noch und auch jetzt bekomme ich Gänsehaut, wenn ich daran denke. Die Frauen haben sich bei mir bedankt, dass ich dabei war und mich informiert habe. Ich verspreche darüber zu reden. Wir alle wissen, dass viele schrecklichen Dinge in der Welt passieren, und dass sich während dessen ein paar Regierungsköpfe um Öl streiten, aber wenn wir damit konfrontiert werden, dann fragen wir uns, warum uns das keiner gesagt hat bisher.

11
Nov
2008

Eine kleine Geschichtestunde

Kennt ihr die Geschichte von Guy Fawkes? Noch nicht?
Dann hört mal gut zu.
Guy Fawkes war ein humorvoller Engländer, der mit der englischen Regierung unter der Englischen Regierung aber scheinbar nicht viel zu lachen hatte.
Ihnen zu Ehren hat er aber ein Feuerwerk geplant, das in die Geschichte eingehen sollte. Ein riesen Boom Bang, dessen Ziel die Sprengung des Parlamentes war. Heute vermutet man, dass die Verfolgung der Christen, die damals eine Minderheit darstellten der Grund war.
Ungünstiger Weise wurde das Parlament gewarnt und der Sprengstoff manipuliert. Das Volk kam also nicht in den Genuss des Feuerwerkes, bekam aber eine 1A Exekutions Party als Wiedergutmachung. Fawkes Truppe wurde nacheinander aufgehängt, ausgeweidet und geviertelt. Und Fawkes selbst? Als Letzter an der Reihe sprang er vom Podest,brach sich das Genick und entkam so der grausamen Folter. In die Geschichte ging schlussendlich doch ein.
Warum ich euch das erzähle?
1. Ich wollte mein potential als Geschichtelehrerin testen (Rückmeldung, wenn etwas hängen geblieben ist)
2. ist dieses Ereignis nun 403 Jahre her, und die Londoner gedenken dem Bonfore Complott in der Bonfirenight jährlich am 5. November mit Feuerwerken und Fackelmärschen, stellvertretend für die misslungene Party ihres alten Freundes. Ich habe gelesen, dass die Regierung versucht es als Dankesfeier zu verkaufen, dass Big Benni nicht als die erste Rakete in die Geschichte einging.


Remember, remember the fifth of November,
gunpowder, treason and plot,
I see no reason why gunpowder treason
should ever be forgot.

Good Morning, Mr. President!

2 Männer sitzen gerade in Texas auf einer Ranch. Es ist schon spät in der Nacht, aber sie könnten ohnehin nicht schlafen. Tief schauen sie in ihre Gläser. Der ältere, er hat schon weiße Haare seufzt, der andere gießt mit bitterer Miene Whiskey nach, Beide sind schon sehr betrunken, aber das kümmert sie nun auch nicht mehr.
Jetzt ist es zu spät, für sie.
Währenddessen feiert der Rest der Welt einen Moment, der in die Geschichte eingeht.
„Good Morning, Mr President!“ steht in großen Buchstaben auf der METRO, daneben ein Foto, das einen lachenden, winkenden Obama zeigt.
Die Wahlbeteiligung von 64 Prozent ist die höchste seit 100 Jahren. Die Vereinigten Staaten, in denen es vor einem guten halben Jahrhundert dunkelhäutigen Menschen noch untersagt war öffentliche Lokale zu betreten haben einen Präsidenten aus Kenia, einem der ärmsten Ländern der Welt.
Viele hoffnungsvolle Wünsche richten sich an Obama, nicht nur in Amerika. Die Wahlen des mächtigsten Landes der Welt, das Kultur exportiert ohne selbst eine zu haben waren bisher ein Ereignis, bei dem viele Länder mitfierben, aber nicht mitwählen dürfen, und auf den gesunden Menschenverstand der Amerikaner hoffen müssen, da deren Entscheidungen weltweiten Einfluss haben.
Mit einer Minderheitswahl schockierte Bush vor 4 Jahren, als Hoffnungsträger Kerry aufgab.
Jetzt liegt es also an Obama, und dem hinter ihm stehenden Volk, das Land nicht nur wieder hoch zu wirtschaften, sondern auch sein internationales Ansehen auf zu bessern. Warten wir es ab, ob auch die deutsche Unterstützung so groß ist, wie die Kritik an seinem Vorgänger.

In London tragen jetzt alle rote Papierblumen. Was ich anfangs für ein Charity Aktion gehalten habe, hat sich als eine Kriegsopfer Memorial Campagne herausgestellt.
Die tägliche Council Zeitung, die heute Morgen bei uns in der Küche lag, hat mich darüber informiert, dass man mit den Blumen den Kriegs- und Konfliktsopfern gedenkt, die die Geschichte eingefordert hat. Man bekommt die hier immer um den 11. November rum, das Datum, an dem der Friedensvertrag unterschrieben wurde
Eine tolle Sache fand ich und beschloss, mir selbst welche zu besorgen.
Für mich stellt sie nicht nur ein Andenken, sondern hat auch etwas Mahnendes. Ich will nicht, dass unsere Zukunft aussieht wie unsere Vergangenheit.
Ein anderer Zeitungsartikel ließ mich erschaudern. Die Blumen als eine Hommage an unsere Heroes, Männer, die für uns in den krieg gezogen sind!
Kriegsopfer sind Kriegsopfer, genau so wie deren Familien, aber keine Helden!
Ein Mann, der für einen Machtsüchtigen Staat tötet uns riskiert, dass seine, oder die Kinder der Gegner ohne Väter aufwachsen sind keine Helden.
„Stell dir vor es ist Krieg, und keiner geht hin“ hat Karl Sandburg gesagt.
Deutschland sendet Truppen nach Afghanistan, und ich warte auf ein lautes aufschreien, aber höre nur ein gleichgültiges Schweigen.

Kann es sein, dass man uns mit Bildern bombardiert
Es trotzdem kaum noch jemand interessiert,
Ob der krieg vor unserer Tür wieder eskaliert,
Oder überhaupt noch existiert?

Am liebsten würde ich dabei schreiend durch die Straßen laufen. Brecht hat gesagt, dass wenn keiner zum Krieg geht, kommt er zu uns. Wer nicht kämpft, der unterstützt nur den Feind.
Aber wer ist dieser Feind? Afghanistan? Der Irak? Iran? Amerika?
Oder, ist es der Krieg selbst, der unser Feind ist? Der die vielen Opfer fordert Länder, Familien und Städte rücksichtslos zerstört?
Ich will nicht den Krieg unterstützen. In Ethik haben wir gelernt, dass Krieg moralisch falsch ist. Ich hoffe doch, dass das in Amerika auch so vermittelt wurde, und in England. Wieso sind aber dann seine Teilnehmer Helden?
Erst wenn viel zu viele ihm zum Opfer gefallen sind, werden wir von unseren nachfolgenden Generationen dafür angeklagt werden, was wir doch eigentlich noch unseren Großeltern vorgeworfen haben.
Wenn der Krieg aber nicht in unserem Sinn ist, warum unterstützt dann unsere Regierung, die uns eigentlich vertreten sollte, den Krieg?
Hallo Berlin? Wieso?
Oder, liebe Mitbürger, seid ihr dafür?

Es reicht nicht, abzuwarten, dass ein neuer Präsident über Nacht die Welt ändert. Wie er gesagt hat. Nicht er ist es, der die Veränderung bringt, sondern wir.

5
Nov
2008

Das Geheimnis zum Erfolg

Wir sitzen zusammen, Pierre, Brian, sein Web Designer und ich. Brian ist einer der Top 5 Prozent der Web Designer und hat schon so manche Homepage für bekannte Nachwuchsmodels und Unternehmen (wie Lotto) kreiert.
Wir unterhalten uns über das, worum es ihrer Meinung nach am meisten im Leben geht: Erfolg.
Vielleicht auch der Grund warum beide allein stehend sind.
Für sie gibt es 2 Möglichkeiten, die einen Erfolgreich machen können. Entweder man ist ein Nerd, ein unkommunikativer, aber talentierter Streber ohne soziale Kompetenzen, oder man sieht überdurchschnittlich gut aus.
Brians Vorbild, wenn er die Wahl hätte ist Hugh Hefner. Beide versichern sie mir, das es kein besseres Erfolgsrezept gibt, als eine Frau mit hübschem Hintern oder langen Beinen als Trophäe, mit dem man sich in der Welt der erfolgreichen Männer Respekt verschafft. Eine Frau als Accessoire? Das geht zu weit für mich!
Als sie sehen, wie schockiert ich darüber bin, starten sie ihre Aufklärungscampagne: „Du bist vom Land, da ist alles anders. Hier gibt es nur eine Sorte von Männern, und wir sind Männer, wir wissen darüber bestens bescheid. Egal was die dir erzählen, du bist so lange interessant solange du hübsch und neu bist. Kommt die Nächste wirst du ausgewechselt. Das ist von der Natur so vorprogrammiert.
Natürlich weiß ich bescheid worauf viele aus sind, aber wie das Leben „auf dem Land“ ist kann jemand der noch nie aus der Großstadt herauskam wohl schwerlich bewerten. Ich kann einfach nicht fassen, was ich da höre. Als rede ich mit 16 jährigen Jungen!
Denkt ihr wirklich, ich hätte so wenig Ahnung vom Leben? Frage ich, aber meine Argumente ändern nichts an ihrer Meinung und ich fühle mich persönlich angegriffen! Wie kann man nur so wenig Respekt haben? Zum einen vor Frauen, und zum anderen vor den Männern, die etwas erwachsener sind, da mit rein zu ziehen!
Natürlich meinen sie was sie sagen nicht persönlich, schon gar nicht sehen sie in mir Trophäenpotential, so wie ich ungeschminkt und in Rollkragenpulli und Jeans da sitze und ihnen aus voller Überzeugung sage, dass mich Intelligenz mehr an jemandem reizt, als ein nettes Gesicht aber kein Gehirn dahinter.
Für sie bin ich sicher ein Nerd, zudem auch nichts anderes als ein Nerd passt, vielleicht eine Verschwendung, weil ich mit etwas Make Up und den passenden Kleidern mehr hermachen könnte, aber auch keine Tragödie, es gibt immerhin genug andere.
„Wenn ich die Wahl hätte zwischen einer dummen aber heißen Blondine und einer intelligenten erfolgreichen Frau, entscheide ich mich für die Blondine. Das ist eben das was Männer wollen! Was zum Spaßhaben! Was zum Angeben!“ erklärt mir Brian, Anfang 30, der locker auch als einer von Pierres Models durchgehen könnte.

„Intelligenz, oder ein besonderes Talent allein kann also nicht attraktiv machen?“ will ich wissen und er antwortet mit der Frage „Hast du schon einmal eine Frau Bill Gates hinterher rennen sehen?“ Frauen wollen Männer, die bereits von anderen Frauen umringt sind!
Soviel Oberflächlichkeit hätte ich nicht erwartet. „Hugh Hefner“, argumentiere ich also weiter „Er ist erfolgreich. Hätte er einen ICQ wie Forest Gump wäre er nicht da, wo er heute ist“ „Er hat ne Menge Frauen, deshalb wollen ihn alle, nicht weil er so umwerfend aussieht.“ „Aber er ist reich, weil er erfolgreich ist“ „Genau, Männer müssen Reich sein, Frauen gut aussehen“ „Aber um erfolgreich zu sein, muss man doch INTELLIGENT sein! Also war seine Intelligenz der Grund für seinen Erfolg bei den Frauen, mit denen er dann sein Geld gemacht hat!“
Ich dachte ich komme vom Land in die Stadt, um etwas mehr vom Leben zu erfahren, aber stattdessen muss ich feststellen dass hier noch weniger fortschrittlich gedacht wird. Was können die denn sonst noch außer Kleider und Homepages für Magersüchtige machen und sie nachher mit nach Hause zu nehmen?
Meine Argumente werden mit „Unwissenheit“ abgetan. Aber wer bitte hat hier die erwachsenen Argumente?
„Also sind alle glücklichen Ehemänner mit Familie nur gute Schauspieler?“ fahre ich fort. „Na ja“ meint Brian „ Es gibt eben auch welche die toben sich nach ein paar Jahren aus. Manche brauchen 20 Jahre, und andere werden ebene nie erwachsen.
„Vielen Dank!“ applaudiere ich. „Du hast nicht nur eben alle deine Argumente widerlegt, sondern auch noch bestätigt!“
Mittlerweile geht es mir nicht mehr nur noch darum ihm zu erklären wie wenig Niveau diese Einstellung hat, sondern davon zu überzeugen, dass ich Recht habe.
„Du schließt also von dir auf den Rest der Bevölkerung?“ und klinge dabei mehr feststellend als fragend. „Man kann doch nicht so in Schubladen denken!“ Hier geht es nicht um Regel und Ausnahme. Sicher ist sein Typ in unserer Gesellschaft zur Genüge vertreten, aber das kann er doch nicht verallgemeinern!
„Wäre jede Frau wie ich“ drehe ich den Spieß um, „dann würden Typen wie du sowieso gar keine abbekommen“
Als ihm die Argumente langsam ausgehen und ich erst richtig in Fahrt komme, wird mir sein Schweigen doch unangenehm, und ich wechsele das Thema.
Pierre hat vorhin ein Buch erwähnt, das Brian geschrieben hat.
„Das Geheimnis zum Erfolg“ sagt er trocken.
Vielleicht haben wir ja bald einenüberwältigenden Erfolgsansturm zu befürchten…

1
Nov
2008

Wintereinbruch und andere Überraschungen

Mein knurrender Magen hat mich heute Morgen viel zu früh aus dem Bett getrieben. Vor dem Fenster, durch das mich eine Grau- in Graue Kulisse müde ansieht sagt mein Wecker, der sich mittlerweile ohne Vorwarnung wieder zurück gestellt hat 10 Uhr deutsche Zeit. Aber selbst 10 Uhr Englische Zeit wäre nicht vertretbar, nachdem ich gestern um halb 3 vom arbeiten heim kam, und samstags gerne einmal ausschlafen möchte. Mein Hunger scheinbar nicht, der ist wach.
Die letzen Tage war musste ich mit Fieber zu Hause bleiben, weshalb ich heute gerne bei Pierre vorbei schauen würde, und um noch einen Punkt für das Samstagsprogramm für meine Eltern austesten muss, der ganz in der Nähe ist.

Die Erkältung muss ich mir an dem Abend geholt haben, als Eva und ich in den neuen Film mit Robert de Niro wollten, und ich, dank nicht fahrender Tube eine halbe Stunde zu spät kam, weswegen wir uns, sowie auf Grund mangelnder Kommunikationsmöglichkeiten (in der U-Bahn kann einem kein Handy dieser Welt weiterhelfen…) verpasst haben.
Im Regen hab ich mich auf die Suche nach dem Kino gemacht, das irgendwo nahe der Angel Station sein sollte (ursprünglich wollte Eva mich abholen), was allerdings nur zur Folge hatte, dass ich nach einer zwanzigminütigen Suche eine weitere halbe Stunde eingeregnet und frierend auf die Bahn zurück warten durfte.

In Bow dann endlich ausgestiegen, wurde ich Zeuge eines Wunders: Es schneite! Weiße Flocken, die sich mehr als Matschpampe auf der Straße sammelten, aber immerhin die Dächer der Autos weiß bedeckten fielen vom Himmel. Sofort wieder gut gelaunt sprang ich auf dem Heimweg in den ersten Laden, um mir völlig überteuerten Tee zu kaufen (Winter und Tee trinken, dafür war ich schon als Kind immer zu haben!!).
Schnee Ende Oktober in London! Das letzte Mal war das 1934 der Fall, wie uns alle Titelblätter am nächsten Tag informierten. Der Tag sollte dann auch erstmal mein letzter bei Pierre sein, schwer verschnupft machte ich mich auf den Weg, nichts ahnend vom Fieber das ich Tags drauf bekommen sollte.

Der Tag war mal wieder sehr interessant gewesen. Eine finnische Journalistin, Anfang 30, aber sehr viel jünger wirkend (ich hatte sie auf 24 höchstens geschätzt!) saß mit Pierre am Tisch als ich von meinem Mittagsspazierganz zurückkam, bei dem ich mir endlich auch einen ne Sim-Karte für mein Handy gekauft habe(Das erste mal hab ich hier etwas wirklich verloren, nachdem ich bereits Personalausweis, deutsche Sim-.Karte und Oystercard samt Führerschein für verloren gehalten habe). Jonna, die jetzt eine Seite eines Finnischen Magazins hat, und dafür ihren ersten Bericht verfasst, hatte allerhand über ihr letztes halbes Jahr zu erzählen, in dem sie wohl ganz schön rum gereist ist. Der heutige sollte vorerst ihr letzter Tag sein, da ihr Flugzeug morgen nach Norwegen, und von da aus nach Finnland in die Heimat gehen sollte.

Ich glaube sie ist mir deswegen so sympathisch, weil sie nicht so aufgesetzt wirkt, wie es die meisten Londoner tun. Um ehrlich zu sein, ist sie die erste weibliche Person die ich hier treffe, die ungeschminkt ist. Ich selbst hab es mir auch abgewöhnt, mich fürs Praktikum herzurichten, wie ein Christbaum.
Während sie von ihren Reisen, spontanen Aufenthalten und Erlebnissen erzählt, wächst meine Bewunderung. Eines aber scheinen wir gemeinsam zu haben: je weiter man weg ist von daheim, und wenn es noch so sehr zu einer Sucht wird, Neues zu entdecken, desto mehr weiß man, aus welchen Holz man geschnitzt ist, und in welchen Wald man gehört, auch wenn man den nicht immer genau orten kann.

Pierre, wie er eben ist, hat ihr auch gleich einen Karton voll von kleinen Körbchen hingestellt, mit der Aufforderung etwas daraus zu machen. Sie entschied sich für eine Lampe, suchte sich in der Galerie alle benötigten Materealien zusammen und legte los. Bis lang nach Ladenschluss saßen wir so zusammen, Tee trinkend und diskutierend, während jeder nebenbei seiner Arbeit nachging, wie in einer Bastelstunde! Jana war die erste, die dann aufbrach, mit dem Versprechen, ihr nächster Artikel handle garantiert von dem Tag hier in der Galerie. Zugegeben: ist euch so was schon mal passiert?
Ich aß noch Abend (Pierre bringt immer frisches Brot und über reifes Obst das auf dem Markt übrig bleibt), und teilte wie mittlerweile gewöhnt mein Essen mit der bettelnden Cloey, die es immer wieder entweder auf meinen Schinken, Würstchen oder Käse abgesehen hat.
Es ist verdammt kalt, warnt Pierre mich vor, während ich Handschuhe und Schal anziehe. Ich bin wohl schon auf Englisches Klima programmiert, die Temperaturanzeige sagt 7 Grad. Brrrr… denke ich, als ich in Richtung Tower Bridge laufe. Arschkalt

P.S: Wer will kann auch gerne bei Jonna vorbei schaun!

http://jonnanisu.blogspot.com/

Liebe Grüße nach Skandinavien, und danke für den netten Tee- Nachmittag

30
Okt
2008

Schuhplattler und gschtierte Eier

Der Nachtbus lässt mal wieder auf sich warten, denke ich, während ich gähnend einen Blick auf meine Armbanduhr werfe. Halb 2 morgens sagt mir diese. Zudem bläst Londons kalter Wind durch die Straße und ich bekomme Gänsehaut auf den Wangen, ein Gefühl dass ich schon immer gehasst habe. Ich vergrabe mein Gesicht im Schal schiebe meine Hände tiefer in die Manteltaschen.

Die Schicht im Beerhouse war ätzend. Am liebsten hätte ich die Gäste so wie sei rein gekommen sind wieder raus geworfen. Als die 8 verschiedenen Gruppen die immerhin aus bis zu 10 Gästen bestanden wollten alle direkt zahlen. Als keiner Tabs eröffnen will erkläre ich den Saufköpfen, dass ich heute im Stress bin, und es mir egal ist, wer seine Kreditkarte rausrückt, aber wenn sie etwas zu trinken haben möchten, dann sollen sie sich lieber mal ansprechen, denn „pay as you go“ kann ich heute nicht akzeptieren. Nicht ich, aber ihr Durst nach Alkohol überzeugt sie letztendlich doch, so dass ich die Karten mehr oder weniger freiwillig überreicht bekomme, während der Rest der Mannschaft mir seine Bestellungen entgegengrölt.
Ich hab das Gefühl heute funktioniert gar nichts. Nichts läuft wie sonst. Unsere sonst doch verlässliche Theke steht apathisch am Zapfhahn. Mit einem nicht übersehbaren Kater zapft unser Frontmann mechanisch ein Bier nach dem anderen. Auf seinem T-Shirt unsichtbar lesbar „Keine Fragen, keine Extrawünsche, kein Garnix“
Gereizt blaffe ich einen kleinen, nach Bier und Vodka riechenden Engländer mit langen fettigen Haaren und Glubschaugen an, dass er sich gefälligst gedulden soll, nachdem er mich 5 mal im Minutentakt nach seinem Bier erkundigt hat, von dem ich nicht einmal mit Sicherheit sagen kann, dass seine Bestellung noch existiert.

Nachdem 5 Busse vorbei gefahren sind, und keiner davon gepasst hat öffnet sich die Tür des Beerhouses und unsere Musiker stolpern laut lachend und singend mit ein paar unserer Mädels raus. Als sie an mir vorbei laufen hakt Daniel, der Schuhplattler bei mir ein und zieht mich mit. Meine Versuche mich zu wehren sind bescheiden. Manfred, sein Kollege fragt mich was ich denn noch vorhätte- Nichts. Ob ich also den Nachtbus jetzt oder in 4 Stunden nehme ist eigentlich auch egal. „Mein Bus“ stotter ich und zeige mit der Hand Richtung Haltestelle „ach nix“ antwortet er und fängt eine Bierdose, die der Akkordeonspieler durch die offene Ladentür, vorbei an der Kasse nach draußen gekickt hat mit dem Fuß auf.
Wir laufen zu einem Freund von Diana und Maike, der beim gleich um die Ecke in einem verdammt schicken, schon fast luxuriösen Apartment wohnt.
Angekommen, stürzen sich die Jungs auf den Herd, und schlagen Eier auf.
Verwundert schau ich ihnen zu. „Gschtierte Eier, Lecker“, freuen sie sich. Im Supermarkt haben sie 2 Zehnerpackungen Eier gekauft, rühren, schneiden Peperoni, und schütten Pfeffer, Salz und Bier dazu. Maria, die Sängerin und Gitarristin, schaut gelassen zu. Kennt sie sicher schon…
Als sie fertig gekocht haben ist auch die letzte Skepsis bei der hungrigen Partytruppe gewichen. Die Engländer machen Ketchup auf ihr Rührei.
Wir spielen Singstar. Als wir „Hier kommt Alex entdecken(das einzige Deutsche Lied) singen alle zusammen laut, mehr oder weniger richtig. Darauf folgt dieses Playstation Spiel, wofür man eine Spielzeuggitarre braucht, aber nicht spielen können muss, weil einem der Bildschirm anzeigt welche !TASTEN! man drücken muss. Man erkennt auch sofort, wer hier mehr Übung hat, denn unsere Musiker verlieren haushoch, gegen die unmusikalischen Zocker.
Yuki, die Japanerin ist total fasziniert von den Lederhosen und Marias Dirndl. Alle Musiker sind junge Studenten und wirken zwischen den funky Londonern etwas skurril, mit ihrem urbayrischen Dialekt und der traditionellen Kleidung.
Neithan, der Gastgeber, der sich ein E-Piano gekauft hat, ohne jemals eine Unterrichtsstunde gehabt zu haben, fordert sie zu einer Vorstellung auf. So kommen wir in den Genuss einer Polka, auf dada dada dada gesungen, die Jungs tanzen, hüpfen und klatschen morgens um halb 4 in einer Designerwohnung mit Panoramafenster mitten in Central London und keiner kann dabei wirklich still sitzen.
Musik verbindet.

Als ich gegen Morgen die Wohnung verlasse, biegt der Bus gerade um die Ecke. Ich summe dada dada dada vor mich hin, grinse den Fahrer an und steige ein.
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und das schlimmste.. Was soll ich jetzt immer lesen...
steffen (Gast) - 28. Jan, 02:28

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