In der U-Bahn sitzt ein Mann im grauen Anzug neben mir. Er hat eine Glatze und riesige Hände. Ein bisschen sieht er aus wie die Zeitfresser aus Michael Endes „Momo“. Wie die meisten hier liest er die kostenlose Zeitung. Ein Bericht zeigt ein unschönes Foto und ist über einen in Afghanistan umgekommenen Soldaten. Ich schiele ihm über seine Schulter und versuche während der holprigen Fahrt mit zu lesen. Pierre meinte vorhin noch, dass im Osten nur deswegen Krieg geführt werden kann, weil unsere Regierungen diese Länder unterstützen. Sind wir dann also mit Schuldig? Der Freund, der bald auch da hin soll, ist gerade mal 19. Zu jung für irgendwelchen Krieg. Eigentlich hat niemand das richtige Alter für Krieg. Ich weiß, dass London auch nicht gerade der sicherste Ort ist. Manchmal überlegt man sich schon, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist in einer explodierenden Bahn zu sitzen, und was man dann tut. Wahrscheinlich gar nichts mehr.
Wie gelähmt sitze ich da und verpasse fast die Old Street Station. Gerade noch rechtzeitig springe ich auf und ziehe meine Tasche durch die sich bereits schließende Tür.
Im Beerhouse interessiert sich keiner für den Krieg (obwohl doch einige Britische Soldaten dort sind). Die anwesenden Gäste sind bereits dabei sich ihren Rausch anzutrinken. Ich habe heute die Ehre die Englischen Mitarbeiter der deutschen Bank zu bedienen, die auf Empfehlung ihrer einzigen deutschen Kollegin zuerst nur Munich Lager trinken, später nur noch „any Beer“ bestellen.
Begeistert vom Jägertrain (die Jägermeistergläserstehen auf dem Rand der Bullgläser und fallen, sobald man das erste antippt wie bei Domino Day der Reihe nach um), Vodka Brause und Berenzen Saurer Apfel, bin ich wür sie die kleine Glücksfee im Dirndl, die ihnen heute zu mehr Teamwork verhilft als in jeder geschäftlichen Sitzung. Bald gehöre ich mit dazu, und werde fleißig eingeladen. Irgendwann merke ich dass es genug Schnäpse waren, und muss mich ganz schön zur Wehr setzen, die besoffene Posse schicker Anzugträger nimmt es mir fast persönlich, als ich sage dass ich weiterarbeiten muss.
Ich will mit keinem meiner Gäste tauschen, ich mag das Beerhouse, die Trinker tun mir allerdings leid.
Ganz nebenbei bin ich wirklich stolz sagen zu können, dass ich auch finanziell it meinem Teilzeitjob auf eigenen Füßen stehen kann. London kann einen ganz schön schnell erwachsen werden lassen.
Nach meiner Schicht nehme ich den ersten Bus nach Hause. Freitagabend, halb 3, aber doch ziemlich müde komme ich daheim an. Oh ja, viel zu schnell erwachsen.
EddiinLondon - 25. Okt, 17:17
Nachdem meine Glückssträhne im Beer House eine Fortsetzung fand (Irgendjemand hat meinen Führerschein, den ich nach einer Knepientour als vermisst melden musste, gefunden, und in die Kasse gelegt), hat sich auch mein bisher sturer Funkwecker geschlagen gegeben. Einen Monat lang habe ich jetzt versucht das Teil auf englische Zeit zu programmieren- vergeblich. Als ich es aufgegeben und eingesehen habe, dass wir immer eine Stunde früher haben als mein Wecker sagt, hat sich das Ding jetzt von ganz allein umgestellt. Ohne jede Vorwarnung zwar, aber immerhin. Das hatte jedoch die unschöne Folge, dass ich gestern Morgen nichts ahnend so lange unter der Dusche stand und ausgiebig gefrühstückt habe, dass ich, geschockt von der Übereinstimmung von Armbanduhr, Handy und Laptop Zeitangabe nach Tower Hill gehetzt bin- mit einer ganzstündigen Verspätung logischer Weise.
Macht nichts, Künstler sind flexibel, und ich selber konnte die Zeit dann doch aufholen, die zu nähenden Teile liefen durch die Nähmaschine, aussortieren musste ich keine mehr, nur Pierre musste mir hin und wieder den von unten kommenden Faden wechseln, wenn die Spule leer war. Am Nachmittag waren alle fertig, und ich hatte schon neue Ideen für weitere Arbeiten.
In der Galerie fühl ich mich so ein bisschen wie ein Zauberlehrling. Pierre, Mitte 40 wie er sagt (ich weiß nicht wie viel man den Altersangaben von Künstlern glauben kann) ist halber Persier und halber Franzose, und hat so seine ganz eigene Mentalität. Im Iran geboren und Frankreich aufgewachsen kam er irgendwann nach Amerika. Nach einem abgebrochenen technischen Studium hat er irgendwann begonnen in New York Modedesign zu studieren und in dem Gebiet einige Jahre gearbeitet. Er scheint viel rumgekommen zu sein, erzählt von Indien und Japan. Nachdem es ihn dann zuletzt nach London verschlagen hat, lebt er hier in diesem Kellergewölbe unter der U-Bahn, zusammen mit seiner Katze Cloey in seinem Atelier, macht Lichtinstallationen, Kleider, malt und verkauft zahlreiche Werke anderer Künstler und Designer. Lehrlinge hat er hier scheinbar andauernd, aus allen möglichen Ländern, die manchmal 2 Wochen bleiben, manchmal auch 9 Monate, einige werden später sehr erfolgreich, andere bestimmt auch nicht. Er lässt sich wie ein Kind von fast allem beeindrucken, und sagt sehr oft „Beautiful“, staunend wie jemand der gerade sein erstes Wort sagt, und davon selbst ganz fasziniert ist.
Fast zu spät merke ich, dass ich mich auf den Weg ins Bierhaus machen sollte, im Atelier kann man ganz leicht die Zeit vergessen…
EddiinLondon - 25. Okt, 16:28
Er strich das weiße Tischtuch glatt
Und blickte in das Glas.
Fast hatte er das Leben satt.
Was wollte er in dieser Stadt,
in der er einsam saß?
Da stand er; in der Stadt Berlin;
Auf von dem kleinen Tisch.
Keiner der Menschen kannte ihn.
Da fing er an, den Hut zu ziehen!
Not macht erfinderisch.
(„Sozusagen in der Fremde“, Erich Kästner)
Während ich heute Morgen noch unter der Dusche stehe und mir das heiße Wasser über den Rücken laufen lasse, gehen mir die letzen Tage noch mal durch den Kopf…
Direkt am Tag nach meiner Pleite starte ich einen zweiten Versuch. Ein Blick aus dem Fenster sagt mir, das Wetter ist unverändert grau, meine Stimmung unverändert unmotiviert. Deshalb brauche ich noch, trotz aller guten Absichten den halben Tag um mich auf den Weg zu machen.
Tippend verbringe ich den Vormittag in der Küche. Später schaut Philipp kurz vorbei, er soll übermorgen im Beer House anfangen und wir verabreden uns für den morgigen Nachmittag, um gemeinsam hin zu fahren.
Nach weiteren vertrödelten Stunden ist es bereits halb 4 und ich sollte wirklich los. Zeitdruck ist meine einzige Motivation wie es scheint, denn ich will nicht 5 Minuten vor Ladenschluss auftauchen.
Als ich die Tube bei Tower Hill erneut verlasse, sagt mir mein Gefühl, ich hätte besser zu Hause bleiben sollen. Heute ist kein Tag um unter Menschen zu kommen.
Es windet schrecklich und ich klappe meinen Jackenkragen hoch, während ich mich durch die ganzen Touristen kämpfe, die sich Fotos knipsend auf der Tower Bridge tummeln und scheinbar alle Zeit der Welt haben.
Pierres Galerie winkt mir schon mit der bunten Fahne, als ich in die Crucifix Lane einbiege. Ich öffne die riesige Glastür und betrete das Kellergewölbe. Die Atelier-Galerie, die sich unter der U-Bahn befindet wirkt wie eine Höhle. Ein Zug rattert über meinen Kopf und es dröhnt. Aus einem Player kommt Frank Sinatra, und es ist gemütlich warm.
Durch den Raum verläuft ein Catwalk, auf dem Uhren und Taschen ausgestellt sind. An langen Stangen hängen Kleider, darüber an den Wänden Bilder. Auf einem Podest neben der Tür liegen Kissen. Obwohl es draußen bereits zu dämmern begonnen hat ist die Galerie von den vielen bunten Lampen die von der Decken hängen schön hell. Auf dem Tisch in der Mitte des großen Raumes liegt eine Katze, die schläft.
Pierre kommt aus dem Hinterzimmer. Natürlich erinnert er sich nicht an mich. Ich war nur eine Touristin, die einmal vor ein paar Jahren in seine Galerie gestolpert ist, in London verlaufen und von dem bunten Schaufenster angezogen. Immerhin ehrlich genug, um zu den Bildern (Moderne Kunst „Kleckserei“), die für n paar Hunderter oder Tausender zu erwerben waren, Stellung zu nehmen. Noch nicht mal die Schule abgeschlossen habe ich ihm erklärt kein Geld für etwas aus zu geben, dass ich selber mit verbundenen Augen oder im Vollrausch machen kann, woraufhin er mit eine leinwand gegeben hat. „Bitteschön, mach selbst“.
Das Resultat, ein genau so schreckliches Gekleckse sollte in der Galerie bleiben und einen neuen Besitzer finden.
„Hello“ begrüßt er mich. „You can touch everything you like, take a picture, everything’s for sell…“ „…Except the Cat“ beende ich den Satz für ihn.
Ob ich schon einmal hier gewesen war, fragt er, und ich erzähle ihm von meinem Besuch vor 2 Jahren, als ich mich in die Stadt, die mir die letzen Tage ganz schön auf die Nerven gegangen ist verliebt habe.
Er bietet mir einen Stuhl an, und ich erzähle ihm von meinem Vorhaben, hier in London mehr über Kunst und das Künstlerdasein zu erfahren, und dass ich dafür mein altes Praktikum beendet habe.
Wir sitzen lange zusammen und plaudern über Kunst, Mode und Musik.
Auf dem Weg zurück an die Station kann ich gar nicht glauben, dass ich morgen wieder kommen kann. Einfach so, Ohne Lebenslauf und bewerbungschreiben, ganz abgesehen von Zeugnis oder Empfehlung..
Für einen Moment halte ich es sogar für ein Missverständnis. Sicher hat mein Englisch mir einen streich gespielt und ich soll morgen kommen um die Fenster zu putzen.
Die Tower Brige ist immer noch voll mit Touristen. Das Hafenviertel bunt beleuchtet und auch der Tower zu meiner Linken sieht im Licht eher aus wie ein Schloss als wie ein Gefängnis.
Ich fühle mich wie ein kleines Kind, dass so hoch schaukelt, dass es weiß, eigentlich keine Kontrolle mehr über die Schaukel zu haben. Es ist ein verdammt gutes Gefühl sich überwunden zu haben, und etwas zu tun, das man sich zuerst nicht zugetraut hat.
Steffen der mich fragt, ob wir uns nicht noch treffen wollen sage ich sofort zu. Heute will ich unter die Leute, heute muss gefeiert werden. Als ich abends in der leeren Wohnung ankomme fühle ich mich endlich wieder alles andere als allein!
Am nächsten Morgen verschlafe ich erstmal dicke, aber Pierre stört es gar nicht. Ich bin selber überrascht, endlich mal so gut geschlafen zu haben, die letzen Tage bin ich immer zu früh aufgewacht.
Während wir uns Fotos von meinen Arbeiten ansehen und bei Zeichnungen stehen bleiben, die im Sommer in der Autowerkstatt eines Freundes entstanden sind, in der ich ich auch gelernt habe Reifen zu wechseln (Danke Puiu und Sergej ;-) )fragt er mich ob ich das auch aus Stoff machen kann, und ehe ich mich versehe sitze ich, Urenkelin, Enkelin und Tochter von Schneiderinnen das erste Mal in meinem Leben an einer Nähmaschiene.
Anfangs reißt der Faden alle paar Minuten, aber ich schaffe es überraschend schnell eine gerade Linie zu nähen. Trotzdem muss ich andauernd auftrennen, neu nähen oder ein paar Stücke in den Müll wandern lassen. Aber es macht nicht nur richtig Spaß, ich habe auch seit Ewigkeiten endlich wieder das Gefühl, etwas nützliches zu lernen!
Nach den 5 fertigen Teilen am Abend ergibt meine Hochrechnung zwar eine Woche (dass ich mit etwas Übung schneller werde mit eingerechnet), aber das ist mir egal. Meine Neigungsabhängige Super Motivation hat zugeschlafen, und ich könnte die ganze Nacht durchnähen!
Am Abend kann ich auch ganz stolz meiner Mutter von meinem Tag berichten, heute kam das Festnetztelefon und das eigene Internet an.
„Musstest aber ganz schön weit fahren, um das zu lernen“, meint sie zu meiner Neuesten Mission, und ich gebe ihr Recht, und Demjenigen, der mal gesagt hat „It’s a long way home“.
EddiinLondon - 25. Okt, 14:49
Why does it always rain on me?
Is it because I lied when I was seventeen?
Why does it always rain on me?
Even when the sun is shining
I cant avoid the lightning
I cant stand myself
Im being held up by invisible men
Still life on a shelf when
I got my mind on something else
Sunny days
Where have you gone?
(“Why does it always rain on me”, Travis)
Die letzen Tage war ich müde. Mittags bin ich aus dem Bett gekrochen, um mich nach dem Frühstück fast wieder zu entscheiden zurück unter die Decke zu kriechen, und da zu bleiben. Für den Rest des Tages. Das Haus verlassen schien mir auch keine nützliche Idee, nachdem ich meine Monatskarte verloren hatte, und vorerst die Fahrten alle einzeln bezahlen musste, und das hab ich ja sowieso gar nicht eingesehen.
Immerhin hab ich mich in der Küche nützlich gemacht, aber nachdem das Geschirr gespült war saß ich wieder da. Was jetzt? So verschwanden nach und nach auch die letzen Kinder Schoko Riegel, die Gemüsesuppe, und was ich sonst noch zum essen hatte. Danach hab ich neue Schokoriegel gekauft. (Mein Gott, ich klinge ja wie Bridget Jones!)
Zur Ablenkung hab ich versucht in ein Pub zu gehen, aber als ich die ganzen besoffenen Engländer gesehen habe, ist mir schließlich auch die Lust zum trinken vergangen.
Draußen war es Grau und kalt, und selbst wenn die Sonne schien, fand ich das Wetter scheiße. Den Knoblauchdunst in den Bussen, an dem man erkennt dass man jetzt in Eastern London ist fand ich plötzlich total ekelhaft, und den Obdachlosen, der hier immer an der Straßenecke steht, dem ich letztens noch meine 30 Pennys Klogeld in seinen Hut geworfen habe, dass er sich mal in der Liverpool Street Station waschen kann, hätte ich fast mit „Such die doch n Job du Penner!“ angeschrienen. Und den Engländern hab ich nur mit sehr viel Selbstdisziplin verschwiegen, dass sie sich besser mal den Stock aus ihrem royalen Arsch ziehen sollten. Sowieso wird hier jeder adrette Londoner zum primitiven Bauer, nachdem er ein paar Guinness intus hat, stinkend, gröglend und aufdringlich. Überhaupt hätte ich jedem gerne erklärt, wo er mich mal kann.
Vielleicht hätte ich mich auch nur etwas unter die Leute mischen sollen, aber wer trifft sich denn in der Verfassung gerne mit neuen Bekannten?
Ein Blick in meinen Kalender verriet mir, dass ich noch keine 4 Wochen hier bin, also muss ich es noch ein Weilchen aushalten. Deswegen durchstöberte ich mal wieder alle meine Taschen, auf der Suche nach meiner Oystercard (mein U-Bahn Ticket ) und stapfte los in Richtung Docklands. Das Atelier eines Künstler, den ich mit meiner Freundin vor zwei Jahren bereits hier in London kennen gelernt habe war mein Ziel. Im Internet hatte ich seine Adresse gefunden, die immer noch dieselbe war.
Zwei Stunden später kam ich heim. Pitschnass. Erstmal eine heiße Schokolade. Ich hatte kein Glück, Pierres Galerie war geschlossen gewesen.
Auf einer Insel in der größten Stadt Europas, komme vor wie Robinson, nur habe ich nicht mal einen Freitag…
EddiinLondon - 25. Okt, 14:36
Nachdem ich es die letzen Tage langsamer angehen hab lassen, muss morgen wieder richtig loslegen. Meine Kondition schwächelt ein wenig, aber schlimmer sollte es jetzt nicht mehr werden können.
Zudem kommt mein hier chronischer Schlafmangel wegen der in aller Frühe beginnenden Gleisarbeiten auf der gegenüberliegenden Straßenseite.
Die Pause habe ich also gebraucht. Manchmal kann man so weit weg abhauen wie man will, und bekommt trotzdem Boxhiebe von zu Hause ausgeteilt. Nachdem ich erfahren habe, dass ich einen Freund nach Afghanistan verabschieden darf, habe ich einem anderen gewünscht zur Hölle zu fahren. Nebst bei kommt langsam das erste Heimweh, dass man manchmal ganzschön heftig spürt, und es dann gleich wieder runterschluckt. Schließlich bin ich ja her gekommen um das große Mädchen zu beweisen.
Meine Nachricht an Tony war sehr kurz gehalten. Dass ich was Verantwortungsvolleres suche, bei dem ich etwas mehr lerne, und er ja sicher keine Probleme haben wird Ersatz zu finden. Antwort werde ich keine abwarten. Das ist eben London.
Um Salaman Rushdie an dieser Stelle zu zitieren: „London is a place full, of the coldest fish in the world.“
Nach drei trüben Regentagen hat das Wetter heute seinen Tiefpunkt gehabt. Genau in dem Moment, als ich mich entschlossen habe doch noch das Haus zu verlassen um in dem nahe gelegenen Hotel ein Zimmer für meine Eltern zu buchen hat es angefangen Hunde uns Katzen zu regnen. (Ihr kennt ja meine Einstellungen zu Hunden). Ich kam keine 100 Meter aus der U-Bahn, da war ich schon durchnässt wie ein Straßenköter.
Tropfend stand ich also im Foyer des City Hotels, das für seine drei Sterne verdammt Schick aussah. Ein Blick in Richtung Eingangstür sagte mir dann auch dass ich hier die einzige war die eine solche Sauerei veranstaltete. Auch die Putzfrau warf mir nicht gerade begeisterte Blicke zu. Ich hatte ja nen Schirm mitgenommen, aber wenn es in London regnet, kommt der Regen von allen Seiten, denn nicht nur meine Jeans war nass bis zu den Knien und klebten an meinen Waden, nein, auch meine Schuhe gaben eigenartige Geräusche von sich währen ich mich watend zur Pforte bewegte. Die Wochenendplanung für den elterlichen Besuch ist wohl meine Beschäftigungstherapie gegen das Heimweh. Und auch dass mein Bruder mitkommt, mit dem ich vor meiner Abreise verdammt wenig unternommen hatte freut mich besonders!
Die letzen Tage habe ich ein Sightseeing Programm durchorganisiert um das mich jeder Reiseführer beneiden muss. Habe die Fahrten berechnet, um heraus zu bekommen ob ich am besten „peak“ oder „off-peak“ nehme, threeday-, single travel-, oder Oyster card besorge, und wie ich die Routen am günstigsten lege. Wie ich dabei einen Spannungsbogen aufbaue, um sie nicht gleich dem Touri- Rummel auszusetzen, und einen abrundenden Abschluss zu finde, der besonders meiner Mutter gefallen könnte, da es ihr Geburtstag ist. Zuviel über den Inhalt will ich aber mal nicht verraten. Wie es also weitergeht nachdem ich sie an der Liverpool Street abhole, das erfahrt ihr dann in drei Wochen.
Im Dunkeln vor meiner Haustür angekommen, hab ich noch keine Ahnung welche noch kältere Dusche mich gleich erwartet. Wie ein erfrorener Fisch sperre ich die Tür auf, lass mir heißes Wasser ein und schalte den PC an. Das Wasser lasse ich später kalt ab um die Wanne erneut zu füllen, diesmal aber bitte heißer.
EddiinLondon - 21. Okt, 01:00
Riccardo ruft mir in dem Moment an, als ich mein Handy in der Hand halte, um ihm zu sagen dass ich mich verspäte, um mir zu sagen, dass er noch aufgehalten wurde und nicht pünktlich kommt. Als ich zur U-Bahn laufe erinnere ich mich an eine Diskussion, die wir im Englischunterricht Unterricht geführt haben. „What can go wrong will go wrong“ hat unser Lehrer gemeint, wir sollten dazu Stellung nehmen.
Zusammen mit meinem alten Mitbewohner besuche ich die Freeze Art Fair, eine riesigen Kunst- und Galerie Messe, bei der auch die Nettie Horn vertreten ist.
Tony hatte ich noch gesagt dass ich mit Fieber im Bett läge, denn während er seine Lieblings- Galerie promoten muss, hätte ich auf sein Stiefkind, die Brick Lane aufpassen sollen.
Wenn das mal gut geht, denke ich mir, und male mir aus wie er auf einmal vor mir steht, oder von hinten auf die Schulter tippt und mich fragt ob er mir denn schon so sichtlich besser ginge. Ihm zu sagen dass ich nicht wieder in die Galerie kommen will, steht mir noch bevor. Immerhin kann ich Jenny den Schlüssel übergeben und muss ihn nicht ihm persönlich aushändigen.
Gestern Abend kommt Andrea in die Küche und ich schaue erschrocken in das fremde Gesicht, Er hat sich einen Bart stehen lassen und die Haare fast weiß gebleicht. Philllipe kommt nach seinem Freund und hat lange rote Fingernägel. In der Uni haben sie mit ein paar Freunden eine kleine Selbstüberwindungs- Aufgabe bekommen. Jeder hat etwas gemacht, was er sonst nie machen würde, weil’s peinlich, schwer oder untypisch ist. Und dann macht es mich nervös eine „Abmachung“ zu brechen, die sowieso nicht fair ist?
Die Messe ist sehr beeindruckend! Hunderte Galerien von allen Kontinenten sind vertreten. Namenhafte und Namenlose Künstler hängen an den Wänden, von der Decke oder stehen in den Gängen in allen Formen, Farben und Materialien. An einigen bleibe ich lange stehen, an anderen laufe ich vorbei. Hier herrscht eine richtige Kunst Stimmung! Riccardo, der seine Rote Signaljacke in seinen Rucksack gepackt hat steht manchmal neben mir dann sieht er irgendwas das ihm gefällt, und schwups ist er weg. Ist nicht einfach ihn zwischen den vielen Stellwänden und Menschen nicht aus den Augen zu verlieren. Er kennt einige Künstler und erklärt mir was er so über Technik, Stil und dessen Hintergrund weiß. Ich bin überrascht wovon er alles so eine Ahnung hat. Das unwohle Gefühl, dass Tony jederzeit um die ecke biegen könnte bleibt aber.
Erschlagen von den vielen Eindrücken gehe ich dann am Nachmittag wieder nach Hause, um mich fürs Bierhaus zu richten. Tony habe ich nicht mehr getroffen. Angekommen stelle ich fest, dass die Elektriker endlich da waren und wieder alles in alter Ordnung ist (bis auf das die Idioten unseren Geschirrschwamm missbraucht haben um den Stromkasten zu reinigen). Jenny hat mir eine sms geschrieben, wann ich ihr morgen den Schlüssel für die Galerie aushändigen kann.
War doch alles nur halb so wild.
EddiinLondon - 19. Okt, 11:39
Nach einer langen Nacht in der Kerzen Küche (als Philippe und Andrea heim kamen haben wir dann doch noch gewartet, da der Notruf meinte, sie rücken auch nachts aus, allerdings müsse einer die Tür aufmachen) stehe ich heute morgen ungewohnt früh für England auf, um in der Agentur anzurufen, und mich nach dem neuesten Stand der Dinge zu erkundigen. Natürlich kamen keine Techniker…Und einen weiteren Tag ohne Strom ist selbst mir zuviel! Ming stellt mir sein Handy zur Verfügung, meint ich könne so was besser. Ich kann noch immer nicht sagen, ob er nur schüchtern, eigenartig, der beides ist.
Danach klopfe ich an der Tür unserer Nachbarn. Ein blonder Junge, schätzungsweise meines Alters öffnet. Ich entschuldige mich für die frühe Störung, als ich sehe, dass er noch Barfuß ist, wirkt wie ich noch ziemlich verschlafen. Bestimmt Schwede, denke ich. Er hat Mitleid, und lässt mich mein Handy an einer Steckdose in der Küche aufzuladen. Neugierig erkundige ich mich nach seiner WG, und erzähle ihm von unserem Haus. „I’m from Germany“ sage ich, und er antwortet“ „Oh, really? Mee too!“„Ja dann kannste ja auch Deutsch!“. „Ja klar“, und er erklärt mir, dass er aus Hamburg ist. Ich überlasse ihm mein Telefon und gehe rüber, um mir im 24 Stunden Somerfield um die Ecke frischen Joghurt zu kaufen. Als ich nach einer halben Stunde mein Handy abholen will, frage ich ihn, ob er denn einen Job suche (jeder hier sucht einen Job), und erkläre ihm, dass wir in der Beer Bar noch Barkeeper suchen. Er schnappt sich sein Handy um sich meine Nummer zu notieren, und als ich anfange ihm meine Nummer zu diktieren lacht er und meint „Moment, erstmal deinen Namen“. Den Part hatte ich ganz vergessen. „Ich bin die Edith“ stelle ich mich vor. „Philipp“ antwortet er. Jetzt muss ich lachen…
Ich schlage ihm eine Kennenlern Party vor. Es ist immer gut, ein freundschaftliches Verhältnis zu seinen Nachbarn zu pflegen. Da ihm auch nicht alle Namen seiner Mitbewohner einfallen, ist das wohl auch die Gelegenheit, um heraus zu bekommen mit wem er denn überhaupt zusammen wohnt.
EddiinLondon - 19. Okt, 11:38
Great Western World! Seit gestern Nachmittag haben wir keinen Strom in der WG. Kein Strom, das heißt es ist seit halb 7 stockdunkel im Haus, die Milch steht vergoren im warmen Kühlschrank, der Fisch liegt aufgetaut neben dem Jahresvorrat Mikrowellen Lasagne der Jungs in der Gefriertruhe, und kein tropfen Wasser aus der Dusche.
Riccardo, Ming und ich sitzen in der Küche. Riccardo und ich trinken Bowle. Ming und ich waren vorhin Kerzen kaufen und ich hab mir noch ne Packung Studentenfutter geholt, das hier viel besser Schmeckt als das in Deutschland, da sie auf die Wahlnüsse, die aussehen wie Gehirnhälften verzichten, dafür aber viel mehr getrocknete Früchte(nicht nur Rosinen) drin sind. Ming, der auf dem Heimweg sich geweigert hat die Kerzen in die Tüte Studentenfutter, Nudeln und Konservenfisch zu tun, da das Essen schmutzig wird lehnt die Tasse, die ich ihm anbiete Dankend ab. Vielleicht hat er meinen Witz vorhin doch zu ernst genommen als ich meinte „You can never know if your vegetable isn’t from Tschernobyl, so why worry about things you can’t change anyway.“
„Er denkt die Äpfel seien aus Tschernobil“ kläre ich Ricardo auf, der seine Tasse mit einem „Thank you very much, that’s so kind! Gerne annimmt. Ich lehne mich in meinem Stuhl zurück, Ricardo sitzt auf der Theke neben dem Herd, auf dem Tisch stehen Kerzen. Eigentlich ganz gemütlich finde ich, aber Ming ist ganz schön gestresst. Auf dem Heimweg haben wir uns über die Spielplätze unterhalten die so oft leer sind. Ming meint, Playstation spielen macht ja auch viel mehr Spaß, wer will da schon rutschen, Burgen bauen oder Schaukeln.
Das Essen ist ohnehin futsch, es ist 8 Uhr abends und die Elektriker werden frühestens morgen früh kommen. Why worry about something you can’t change anyway? Denke ich mir mal wieder! Die Haare habe ich mit kaltem Wasser provisorisch gewaschen, das ich in einen Topf gefüllt habe um es mir über den Kopf zu schütten. Richtig duschen ist mir dann doch zu hardcore.
Im Haus ist es auch nicht gerade warm, aber wir haben den Gasherd an, so kann man es immerhin in unserer Candle Light Küche aushalten.
Ming geht raus an den Stromkasten. Obwohl er davon kaum eine Ahnung hat (er studiert Marketing) versucht er schon seit er von der Uni heim gekommen ist das Ding zu reparieren. Derweil sitz ich mit der Kerze und dem Studentenfutter am Küchentisch und schreibe auf Papier. Der Akku meines Laptops hat schon lange den Geist aufgegeben. Riccardo packt oben bei Kerzenlicht seine Koffer.
Ming kommt in die Küche, schaut aus dem Fenster zur Straße, Ausschau haltend nach dem Elektriker Notdienst(von wo er übrigens gerade kam) und geht wieder raus, kommt, schaut auf sein Handy ob sich die Agentur gemeldet hat, um dann wieder an den Stromkasten zu laufen. „Come on!“ rufe ich ihm hinterher. „You make me nervous!!“ Aber er meint, er kann nicht einfach rumsitzen und nichts tun. “Musste ja nicht” erkläre ich ihm kauend auf Englisch. „Les’ n Buch, mach dir n Kaaba (Tee will er ja nicht). Is doch auch was!“ Und hoffe ihn endlich zum stillsitzen zu bringen. Tut er dann auch. In sein Handy vertieft (er hat als einziger noch Akku übrig, weil er zwei Handys hat), aber nicht ohne bei jedem Geräusch eines vorbei fahrenden Autos aus dem Fenster zu schauen. Ich stelle erstmal Milch auf den Herd und hole meine Lektüre aus meinem stockdunklen Zimmer.
EddiinLondon - 18. Okt, 15:44
Gestern Abend war mein zweiter Abend im Beer House und anders als noch vor 3 Tagen lief alles beeindruckend gut! Dazu hatte ich auch wahnsinniges Glück, denn ich hatte nur 35 Gäste, die in 3 Gruppen erschienen sind und unter ihnen auch das deutsche Volk vertreten war. Meine deutschen Gäste haben es dann auch für mich übernommen, ihren Japanischen, Australischen Japanischen und Südamerikanischen Freunden die Speisekarte zu erklären und ihr eigenes Lieblingsbier fürsorglich mit zu bestellten. Zudem eröffnete jeder Tisch ein Tab. Das heißt, jeder Tisch lässt mir eine Kreditkarte als Pfand, bis ich am Ende alle Gäste abkassiert habe (die Betrunkenen laufen hier auch gerne mal ohne zu bezahlen raus…). Außerdem befanden sich meine Tische alle im ersten Raum nahe der Handheld Station, weswegen ich mich nicht mit Empfangsstörungen rumärgern musste. Diese optimalen Umstände stimmten mich so gut, dass ich in Höchstform aufgelaufen bin.
„Hello Guys“, begrüßte ich mit einem Grinsen in das ein Apfelstrudel quer reinpasst meine Gäste. „My Name is Edith and tonight I’m your waitress. If you have any wishes or qestions, don’t by shy, just come to me! I hope you’ll enjoy that evening. Welcome to Germany!”
Die Posse jubelt, klatscht Beifall, jubelt und Prostet mit der ersten Runde Maß zu. Erdinger, Paulaner, Warsteiner, hell, dunkel oder weiß, Radler und Russen wandern in beeindruckender Geschwindigkeit vom Zapfhahn zu den Biertischen, Currywürste, Nürnberger, Frankfurter, Wiener oder Weiße mit Brezeln, Obazter und süßem Senf, Sauerkraut oder Kartoffelpüree trage ich raus, nicht ohne mir hin und weder selbst eine von den riesen Platten zu schnappen. Eingeladen werde ich auch. Auf Jägermeister, Vodka Brause, Feiglinge oder Obstler. Die Theke hat allerhand zutun, die vielen Kellnerinnen in den hellblauen Dirndln mit Bier zu versorgen, lässt sich aber nicht sichtbar stressen, sondern kippen die Herrenlos gebliebenen kurzen runter, ehe sie die Maßkrüge zehnerweise weiter zu füllen.
Einer anderen Kellnerin geht es wie mir beim letzen Mal. Sie vertauscht Tische und Rechnungen und kommt durcheinander. Als ihr alles zuviel wird seh ich sie plötzlich weinend im Staffraum stehen, umringt von anderen Kellnerinnen, die versuchen sie zu trösten.
Weiß schon, wie sich das anfühlt, sie tut mir schon ein bisschen Leid, aber unser Barkeeper sagt kühl, dass sie in dem Fall für den Job nicht die richtige ist.
Trotzdem versuche ich sie etwas zu beruhigen, so oder so muss sie heute Abend weiterarbeiten.
Auf einem Tablett am Tisch der ohnehin schon satten Meute sind noch ein paar Stücke Apfelstrudel übrig geblieben und mein Herz schlägt Purzelbäume. Ich zeige auf das Tablett, das neben einem Tablett mit Weißwürsten und Sauerkraut steht, ziehe die Augenbrauen zusammen und frage „Do you wanna eat that?“ und achte darauf so zu klingen als würde ich sagen „Wollt ihr diese Froschschenkel wirklich essen?“ „No, take it.“ Ooooohjaaaaaa! Darauf hatte ich gehofft! In der Küche angekommen sind die letzen Stücke MEINS!
Die Spühlfrau, eine kleine Asiatin, lacht mich aus. Ich biete ihr ein Stück an, aber sie winkt ab. Ist den Kuchen hier schon satt. Muss wohl schon ne Weile hier arbeiten.
Besser so- für mich!
Als ich am Abend abkassiere und mich ordnungsgemäß verabschiede mit „Thank you for comming, it was a pleasure to be your waitress, I hope you had a good time as well and I’ll see you again!“ staune ich nicht schlecht. Bezüglich des Trinkgeldes haben mir die anderen Mädels nicht zu wenig versprochen!
Anlässlich Bennys letzen Abend in England, der hier 2 Monate gekeepert hat folgen wir unserem Bar Star noch ins Trafic (Es dauert eine Weile bis wir eine Bar gefunden haben, die an einem Mittwochabend noch geöffnet hat) und stoßen mit Bier an. Ich entscheide mich auf Empfehlung Steffens, unser Bar Frontman, der seit 5 Monaten in einem Hostel residiert, und auf keinen Fall jemals wieder nach Deutschland zurück möchte für ein Japanisches Bier (sehr herb für ein helles Bier, für Bierfreunde echt zu empfehlen!).
Für mich ist der Abend nach dem letzen Sambuca dann zu Ende gegangen. Gegen 2 mache ich mich mit Eva auf den Weg zur Bushaltestelle, auf der Suche nach dem passenden Nachbus…
EddiinLondon - 18. Okt, 15:00
Nachdem ich an der Galerie kaum noch ein gutes Haar gelassen habe, würde ich euch gerne von der heimlichen Attraktion Londons erzählen!
Die Brick Lane:
Hier, wo früher die gesamte Textilindustrie angesiedelt war, reiht sich heute ein Ali Baba Kaffee (wie ich sie nenne) an das nächste. Dazwischen findet man Gemüsehändler, von denen die deutschen Marktschreier noch einiges lernen können und –als Überbleibsel- zahlreiche Sariläden.
In Brick Lane wohnen schätzungsweise 60 000 Banglanesen, weshalb das Viertel auch als Bangladesh Town bekannt ist. Frauen sieht man kaum auf den Straßen. Isoliert von der englischen Gesellschaft, bleiben sie unter sich. Da sie zum großen Teil weder die Englische Sprache können, geschweige denn lesen und schreiben gestaltet ihre Integration sich doch recht schwer.
Die Läden, von Döner über Gewürze und Süßigkeiten bis hin zu Textil und Lederwaren werden von den Männern geführt, die wenn sie mal keine Kundschaft haben schwatzend auf der Straße stehen und gerne mal den vorbeilaufenden europäischen Frauen hinterher pfeifen.
Wenn man sich von der White Chapel High Street im Süden East Londons sich in Richtung Bethnal Green, die nördlich davon ist bewegt, wirkt das Leben immer alternativer. Hier haben sich die Studenten eingefunden, die man in den „kommerzielleren“ Ali Baba Kaffees findet.
Vereinzelt tauchen zuerst links und rechts Shisha Bars mit Internet auf, dann Beagle Shops und Studenten Bars, ausgefallene Designer Läden, Lederwaren Geschäfte, Galerien, Trödler, Sari, - und letztendlich auch sehr gut sortierte Plattenläden.
An den Wänden zwischen den Schaufenstern findet man bunte Grafittis.
Der Brick Lane Market, der sonntags in der großen Halle im zweiten drittel Der Straße stattfindet ist das Highlight des Wochenendes, aber auch die Vibe Bar ein beliebtes Ziel. Im Innenhof sind unter großen Bäumen Tische und Bänke, es werden Snacks verkauft und unverschlüsseltes W-Lan ist verfügbar. Die Vibe Bar, die sich Tagsüber perfekt für eine Mittagspause anbietet während man seine E-Mails checkt, verwandelt sich gegen Abend und am Wochenende in einen richtigen Club, der aber noch darauf wartet von mir besucht zu werden.
Der Rouch Trade nur ein paar hundert Meter weiter in einer Seitengasse ist ein trendiger Musikladen in dem man nicht nur vergleichsweise günstige Neuerscheinungen bekommt, sondern auch ganz neben bei Bohnenkaffee( hier lebt ja fast jeder von Instantcoffee) bekommt, sich einen Muffin aus der gläsernen Kuchenvitrine, die auch als Theke dient aussuchen kann und sich auf eines der vielen Sofas setzen kann, um sich über Musik oder was auch immer zu unterhalten.
Kurz bevor die Brick Lane dann auf die Bethnal Green trifft ist auf der rechten Seite, schräg gegenüber vom Beagle Shop der behauptet der erste Beagle Shop Londons zu sein die Brick Lane Gallery, in der ich mich, um meinem tristlosen Rumsitzen ein Ende zu bereiten für die nächsten beiden Tage kranke gemeldet habe.
EddiinLondon - 18. Okt, 13:06
Gestern Abend ist meine Entscheidung gefallen.
Mein Praktikum hier werde ich vorzeitig beenden. Die Arbeit die mir Tony beschrieben hat, hat sich nicht als das rausgestellt was ich erwarte.
Mein Tag sieht so aus dass ich mittags hier ankomme(interessiert keinen wann, ich könnte auch ganz daheim bleiben meiner Meinung nach, ist eh keiner da), und dann auf ein paar Bilder aufpasse, die ihr nicht mal klauen würdet, erst recht nicht kaufen.
Die E-Mail Arbeit erledigt Jenny, und ich bekomme nicht mal einen eigenen E-Mail Account, denn Tony meint „zu viele Köche verderben den Brei“. Worauf ich ihm erkläre, dass ich nicht hier bin um die Aschenputtelarbeit zu erledigen, und er meint ich solle Homepages ausfindig machen wo er für die Nettie Horn Gallerie Werbung posten kann. Diese hat er natürlich bereits selbst formuliert. „Copy and Paste“ and that’s it.(Lobt mich für meine ausgezeichneten Sprachkenntnisse, und behandelt mich wie einen Analphabeten.)
Zeit, mir was zu erklären oder beizubringen hat er nicht, und so könnte mich jede Vogelscheuche ersetzen, Hirn ist nicht gefragt.
Jetzt hab ich zwei Möglichkeiten: bleiben, oder was neues suchen.
Ach scheiße, wird sich jetzt so manch einer denken, aber ich finde es überraschender Weise gar nicht so schlimm.
Schließlich bin ich gerade deswegen hier her gekommen. Ich glaube gerade das ist jetzt die Chance, nicht einfach von seinem Leben geführt zu werden, was meiner Meinung nach die meisten Leute tun, sondern MEIN Leben zu führen.
Ich brauche dazu keine grünen Haare, Piercings oder einen Minirock, muss keine Undergroundmusik hören(und trotzdem bei H&M einkaufen…), was ich sagen will ist, dass ich nicht wie ein Teenie optisch aus der Reihe tanzen muss, (schließlich bin ich seit ein paar Tagen 21) um dem Alltagstrott und der Gewohnheit zu entgehen(Gewohnheiten hab ich sowieso genug!), ich will hier und jetzt meine Entscheidungen treffen. Bewusst. Ich will nicht nur an die Uni gehen, weil man das tut, wenn man sein Abitur hat, will nicht eine Beziehung anfangen, weil die meisten meiner Freunde eine haben und ihre Freitag und Samstag Abende schon verbucht sind. Und ich will keinen Job machen, in dem ich nicht nur unterschätzt sondern gar nicht geschätzt werde.
London ist eine Stadt in der sich vieles so schnell ändert, und diese Veränderung ist wie die Tube man kann einsteigen und da aussteigen wo man will, sein Glück versuchen und wenn es einem nicht passt, dann steigt man wieder ein und fährt weiter. Natürlich klingt das so Metaphorisch gesprochen ziemlich einfach, und für Realisten naiv, aber es ist dennoch eine Chance!
Den ganzen Morgen hab ich damit verbracht online nach Möglichkeiten zu suchen, Anzeigen im Internet durchgelesen, angerufen…
„Das Glück ist auf der Seite des Tüchtigen“ hat mein Vater gesagt als ich tagelang erfolglos nach einer Unterkunft gesucht habe. Und in dem Fall wird es nicht anders sein. Jetzt brauch ich noch ne Strategie, um mein Glück etwas zu beschleunigen. Ein paar Kontakte habe ich, wenn die mich nicht weiter bringen muss ich neue knüpfen, und schon hab ich was ich wollte: ein Abenteuer.
Ja ich hätte auch hier her kommen können, vorweg eine Wohnung finden können und die passende Arbeit machen können (bezahlt), wäre Glück gewesen, aber dann wäre ich jeden Tag hier her gekommen, drei Monate lang, abends heim, Wochenends in die Pubs oder Clubs… Ich hätte schon im Vorhinein gewusst wie der heutige Tag ausgeht. Ich hätte genau so gut daheim bleiben können.
Eine Freundin, die plant mich zu besuchen, beneidet mich „du musst grad n richtig geiles Leben führen klingt so aufregend“… „ist nicht alles Gold, was glänzt, aber auch nicht alles Pech was schwarz ist“, antworte ich ihr. Könnte sein, dass ich lange suchen muss, das ist sogar sehr gut möglich, aber, um bei den Sprichwörtern zu bleiben: „Der höchste Lohn für unsere Bemühungen ist nicht das, was wir dafür
bekommen, sondern das, was wir dadurch werden.“
In diesem Sinne, bis zum nächsten Mal!
EddiinLondon - 15. Okt, 16:36
Vor einer Stunde kam ich nach Hause. Schreie mein „HELLOOO!“ durchs Haus, ist aber keiner daheim.
Hab Tony heute erklärt dass ich eigentlich nicht hergekommen bin um Handrails zu cleanen, und hab jetzt etwas anspruchsvollere Arbeit die darin besteht, Leute für die Galerie anzuwerben und ich hab schon ein paar gute Ideen.
Erstmal genieße ich aber meinen Day off morgen, Jenny hat mich heute mit einem „Oh my God! You look horrible“ begrüßt. Sie hat letzte Nacht auch gekellnert. Von nun an werden wir uns in der Galerie abwechseln, was ich wirklich bedaure, denn mit ihr zu plaudern macht wirklich Spaß. Aber sind hier ja nicht auf dem Pausenhof.
Zurück zur WG (ich bin vom Thema abgekommen…)
Ming, unser Vietnamese (ich war die erste die seinen Namen herausbekommen hat, er redet nicht gerade viel) kam kurze Zeit später, reagiert aber nicht auf mein erneutes „Hello!“, ich rufe noch mal und er fragt was denn sei? Nichts. Wieso er nicht reagiert habe? Er dachte ich telefoniere… schräger Vogel.
Den anderen beiden Jungs leiste ich gerne mal Gesellschaft, denn in ihrem Zimmer funktioniert die Internetverbindung von den Nachbarn dessen Passwort wir geknackt haben. Auch sonst haben sie ganz schön dazu gelernt. Vorgestern hat Andrea, der in der Regel morgens aufsteht, den Müll rausgebracht, und nicht nur vor die Tür, sondern rüber zu den Containern. Phillipe steht meistens Mittags auf, er scheint sein Bett zu mögen denn da trifft man ihn fast immer an, mit dem Laptop auf seinem Bauch, einen Film schauend. Die beiden waren, bevor sie nach England gekommen sind beide ein halbes Jahr in Hamburg und haben seit dem eine Schwache für Lind Schokolade und Schnitzel. Gestern Abend haben wir uns deswegen überlegt eine Schnitzelparty zu veranstalten.
Ricardo, ist ein verwirrter Kunststudent, der nicht nur meinen Musikgeschmack teilt. Leider zieht er bald um nach Bethnal Green. Er sagt da sei mehr los. Kann ich gut verstehen. Letztens hat er es geschafft drei mal aus dem Haus zu gehen, und zwei mal gleich wieder zurück zu kommen, weil er irgendwas hatte liegen lassen, man sieht ihn oft durchs Haus rennen auf der Suche nach seinem Hausschlüssel... ihr wisst also was ich meine...
Ich selbst habe heute das Kabel für meinen Laptop sowie meine Digicam in der Galerie liegen lassen und jetzt ist die Batterie leer. Ming, der in die Küche kommt um sich einen Kaaba zu machen fragt mich ob ich es für was wichtiges brauche und ich sage dass ich Articles schreibe, was ja im Grunde auch der Wahrheit entspricht wenn auch etwas wichtiger ausgedruckt als es wirklich ist. Sofort bietet er mir seinen an, er hat zwar einen von Apple, ber Windows Office funktioniert genau gleich. Erstaunt aber doch sehr erfreut nehme ich sein Angebot an, und nehme mir vor ihn auf unsere Schnitzelparty einzuladen wenn ich ihm seinen Laptop zurückgebe.
EddiinLondon - 13. Okt, 22:41
Nachdem ich es gestern endlich geschafft hatte im Victoria Park joggen zu gehen (und geschockt feststellen Musste, dass mir bereits nach 30 Minuten die Puste ausging) und einer Kalten Dusche Dusche(ich weiß noch immer nicht wie man bei den Duschen hier die Temperatur einstellt) ging’s los in Richtung Mile End Station. Mein Ziel war die Old City Road, genauer gesagt, die Kneipe gegenüber der Bushaltestelle, vor der sich unter dem Paulaner Wappen Japanerinnen in Dirndl und Australier in Lederhosen tummelten.
Nein, ich bin nicht wieder zurück nach Deutschland, ich spreche hier vom Bavarian Beer House. Mit einer viertelstündigen Verspätung (die Tube war geschlossen an diesem Sonntag und ich musste den Bus nehmen) kam ich an meinem ersten Arbeitstag an, guter Dinge und nichts ahnend von der Hektik die mich noch erwarten würde.
Nachdem ich schnell in meine Arbeitsuniform geschlüpft bin, ein rotweiß kariertes Dirndl mit weißer Schürze und blauem Rock erfahre ich dass ich nicht nur die verabredeten 3 Stunden da bleiben soll um eingearbeitet zu werden, Eva aus Frankfurt, die andere Neue, die ich bereits beim Vorstellungsgespräch kennen gelernt habe und ich sollen eine ausgefallene Kraft ersetzen, bekommen die Skihütte, den kleinsten Raum im Beer House zugewiesen, und los geht’s!
Die ersten 4 Maß sind ganz leicht zu tragen, und die ersten zwei Tische mit 3 oder 4 Gästen easy zu bedienen, aber ehe wir uns versehen ist die Skihütte brechend voll, überfüllt mit grölenden Australiern und auf den Tischen tanzenden Japanern, die Bier am laufenden Band bestellen und total begeistert sind von Vodka Brause.
Mit den jetzt schon 6 oder 7 Maß die wir durch die 3 anderen Räume des Beer Houses tragen müssen kommen wir kaum noch durch, wir schreien gegen die Gäste und DJ Ötzi an um uns Platz zu verschaffen. Auf meiner Weißen Bluse Jägermeister und Bier, Bratensoße und Ketchup auf meiner Schürze. Öfters werden wir eingeladen, und dürfen auch, anders als ich es aus Deutschland gewohnt bin mittrinken, wir lächeln für Fotos und bringen den lallenden Touristen „Bitte ein Maß Bier!“ bei.
Mein Handheld womit ich die Bestellungen aufnehme hat nicht nur ziemlich schlechten Empfang, die Batterien sind auch leer, die Gäste ordern schneller als ich rennen kann und ich komm ganz schön ins Schleudern, vergesse das Besteck zum Essen, ordere manches doppelt und vergesse dafür andere Bestellungen. So stressig hab ich mir den Spaß nicht vorgestellt. Ein Glück hilft mir Eva, bei der das ganze viel Souveräner aussieht.
Zeit um selbst was zu trinken hab ich kaum, aber ich könnte sowieso nicht auf die Toilette. Langsam werde ich hungrig, als ich heute morgen um zehn mein Müsli gegessen habe, hatte ich noch nicht damit gerechnet, so lange zu arbeiten und meine Uhr sagt mir dass es bereits 7 ist, und die Stimmung hat gerade mal ihren Höhepunkt erreicht.
Schweinehaxen, Schnitzel und Currywürste gehen nur so über die Theke, die Gäste werden ja auch hungrig.
Als die Hütte sich gegen neun zu leeren beginnt, weil kein Bier mehr ausgeschenkt wird und wir die Restlichen Kässpätzle aus der Küche bekommen auf die ich mich sofort stürze und drei Mal nachschlage, bin ich erleichtert zu hören dass Mittwoch, mein nächster Arbeitstag bestimmt ruhiger wird.
Nach Feierabend sind Eva und ich, trotzdem wir total geschafft sind einig, dass wir noch was trinken gehen müssen, und machen uns auf in Richtung Brick Lane um in der Vibe Bar auf unseren ersten Tag anzustoßen. Prost!
EddiinLondon - 13. Okt, 17:36
Als ich gegen neun zuhause ankomme, wartet Ricardo schon auf mich, und gratuliert mir zum Geburtstag. Eigentlich wollten wir noch auf n Drink weggehen, aber das pack ich heute wirklich nicht mehr.
Also sitzen wir, schon wieder mit Kuchen und Tee bei mir im Zimmer (ein Wohnzimmer haben wir ja nicht) hören Musik, schauen uns Fotos von unseren Arbeiten an (er gehört auch zu den 70 Prozent), diskutieren zuerst über Elektronische Musik, Punk, und Künstlerdasein, später über Geschichte und letztendlich über Politik, Frau Merkel, Berlusconi, Bush, Hilary Clinton und Obama...
So geht also auch mein 21. Geburtstag zu Ende. Schon fast gewöhnlich.
EddiinLondon - 13. Okt, 16:27
Vielen lieben Dank für die lieben Geburtstagsgrüße! Danke, Mama, Papa, Roland für das Geschenk und den geschickten Kuchen und Cornel &Chor, Danke für das Geburtstagsständchen!
Und natürlich danke an die Geburtstagsposse, dank der ich auch hier im großen London nicht ganz alleine gefeiert habe.
Ganz nüchtern betrachtet bin ich gerade mal zwei Wochen weg, keine anderthalb Flugstunden, und trotzdem hab ich dieses Jahr meinen 21. Geburtstag sozusagen „alleine“ gefeiert.
Allein war ich ja eigentlich nicht. Kann man denn in der größtem Stadt Europas von allein sein sprechen? Gestern Abend habe ich mit Annika, Angie, Norman, Nina, Jenny, Gordon, Carol und noch ein paar Freunden von den Mädels reingefeiert.
Zuhause hätten wir wahrscheinlich mit einem Vodka Absolut Citron vorgeglüht, um dann Kuba zu befreien, bis wir irgendwann in den Morgenstunden komplett durch nach Hause gekommen wären, mit dem euphorischen Gefühl mal wieder ne richtig geile Partynacht gehabt zu haben, auch wenn man sich am nächsten Morgen nicht mehr ganz an alles erinnern kann und den ganzen Tag mit einem sehr lauen Gefühl im Magen Und einer Pelzigen Zunge vor dem PC, Fernseher oder was auch immer gegen den Kater ankämpft.
Als ich mich heute am späten Nachmittag auf den Weg in die Stadt mache um bei Jenny mit dem ausgeborgten Hammer, mit dem ich hier im Zimmer ein paar Bilder aufgehängt habe und Kuchen vorbei zu schauen hab ich Bleifüße. Mein Gehirn steht heute auf Standby, und auch mein Magen will nicht so ganz.
Für meine Urgroßmutter ist an einem Feiertag ein anständiges gutes Essen selbstverständlich, und als sie mich anruft um mir zu gratulieren und sich nach meinem Geburtstagsmahl erkundigt kaue ich auf einem Lachsbeagle rum. Irgendwann hab ich mal gelesen so was hilft gegen den Kater.
Ich ziehe weiter zu den Mädels, wo wir alle drei im Wohnzimmer mit unseren Laptop auf dem Schoß und einer Tasse Tee da sitzen und den Kuchen, der aus der Heimat kam essen.
Die Mädels erkundigen sich via Internet nach den aktuellen Singles in Putney, ich lese mich durch die Zahlreichen Geburtstagsgrüße, überrascht, wie viele heute doch an mich denken.
21 Stunden vorher beginnen Norman und ich nachdem wir etwas verspätet eintreffen und die anderen begrüßt haben beginnen wir den Abend mit 2 doppelten Vodka Zitron. Schon viel besser! Als ich mein Cashback in die Hand bedrückt bekomme schaue ich doch etwas verwundert auf die 7 Pfund, die von den 20 übrig sind. Mit den Schultern zuckend denke ich mir “London…“ und Norman ordert eine Runde Havanna Cola.
Die Party im Sugar Hut war Annikas Idee, und eine ziemlich gute noch dazu.
Zusammen mit Ninas Abschied, der wie ich für sie hoffe nicht für immer ist (Mädel, du gehörst nach London!) trinken wir ausgelassen und tanzen.
Die nächste Überraschung sind die Toiletten. Als ich nach Ladys suche erklärt mir James, ein gutaussehender dunkelhäutiger Toilettentürsteher, dass die hier Unisex sind. Ein Mädchen verlässt eine Kabine, ich gehe rein und stoße mit ihrer männlichen Begleitung zusammen, die unerwartet noch in der Toilette steht.
Was ich bereits aus ein paar Berliner Klubs kenne, finde ich am Waschbecken im Übermaß wieder. Parfum von CK, Chanel oder Laurent, Haarspray, Haar Gel, Abschminktücher, Slipeinlagen, und was man sonst noch in jeder gut ausgestatten Kosmetikecke jedes Drogeriemarktes kennt, steht ordentlich sortiert auf dem Tisch neben James, der mit ein Papierhandtuch reicht.
Um 12 wird erstmal gratuliert und kurz darauf klingelt mein Handy, mit dem ich nach draußen renne um etwas zu hören. Meine Eltern haben bis um eins deutscher Zeit gewartet, um mir nicht „vorträglich“ zu gratulieren.
Einige Drinks später, (obwohl ich dem Barkeeper immer gleich viel Geld in die Hand drücke, fällt das Cashback jedes Mal anders aus… Londoner Creativity? ) als wir bereits auf Tablewater umgestiegen sind (welches hier, anders als in Deutschland umsonst ist), müssen wir plötzlich feststellen, dass wir die letzen Gäste sind, was ja an für sich nichts ungewöhnliches ist, hinsichtlich der Uhrzeit dann aber wieder doch, denn meine Armbanduhr sagt, dass es 2:30 morgens ist. Und das ist keine Uhrzeit um nach Hause zu gehen. Nicht für mich! Nicht heute!
Nachdem die Mädels die Heimreise angetreten haben, (was ich zu dem Zeitpunkt garnichtt wirklich realisiert habe) entscheiden Norman und ich uns spontan nach einer neuen Location zu suchen. Mein Vorschlag kommt promt, am Nachmittag bin ich bei meiner online Recherche auf die T-Bar in Scoreditch gestoßen, die von der Brick Lane gleich um die Ecke ist. So ‚n Elektronischer Schuppen, denke ich mir, der wird ja schon bis morgens aufhaben.
Dort angekommen ist es gerade mal halb 4, aber wir stehen vor geschlossenen Türen…
„What the Hell?“ denke ich mir! Mit 7 Promille und durchgefrorenen Zehen finde ich es so gar nicht komisch, aber meine Geburtstagslaune will ich mir dadurch auch nicht verderben lassen.
Und jetzt? Mir fällt mein Geburtstagsgeschenk ein, das zuhause noch verpackt in der Küche liegt, zusammen mit meinem Lieblingskuchen, Kokoswürfel, ein Traum sag ich euch!
Nach also einer weiteren halbstündigen Nachtbusfahrt kommen wir in Bow an, und nach der Busfahrt merke ich auch langsam dass ich müde geworden bin.
Nachdem ich also meinen letzen Geburtstagsgast um halb 6 rauswerfe und mit einem Tubeplan Richtung Bow Station schicke falle ich, 21 Jahre alt in mein Bett, schlafe ein und träum eigenartiger Weise das erste Mal von zu Hause. Im Traum haben meine Eltern mir einen früheren Flug gebucht, und ich muss sofort zurück nach Deutschland um meine Sim-Karte zu suchen, die ich schon am Abend zuvor verlegt habe. Total verwirrt wache ich viel zu früh um halb neun morgens auf, um mich auf die Suche zu machen, in der Befürchtung sie verloren zu haben und somit dieses Jahr keine Geburtstagsgrüße zu bekommen!
Die 5-Stündige, letztlich aber doch erfolgreiche Suche beginnt…
EddiinLondon - 13. Okt, 16:04
Wenn man in London einen jungen (oder auch älteren) Menschen fragt was er ist, oder zumindest was er hier macht bekommt man zu 70 Prozent eine der folgenden Antworten:
1.Künstler, 2. Designer, 3. Musiker
Und es scheint auch eine Kunst für sich zu sein aus dem ganzen Londoner Leben eine einzige Party zu machen. So hatten wir gestern ein Gallery- Opening mit Freibier (wie die hier alle Verrückt auf Export sind…) und schon fast Schwabentreu dem Motto “Mr glaubt garit was in eine nei basst wenn’s umsuscht is“ ham se gesoffen wie die Weltmeister.
Unsere Aufgabe war denn also auch nurnoch für Nachschub zu sorgen und die leeren Flaschen wegräumen, die sich in Rekordgeschwindigkeit gestapelt haben. Demzufolge wurde dann auch die Stimmung immer ausgelasseer, es wurden die absurdesten Theorien aufgestellt, das Publikum, dass ja auch zu 70 Prozent aus Künstlern jeder Art bestand, die teilweise in der Nettie Horn ausgestellt haben, teilweise noch, oder wieder ausstellen werden plauderte Flaschenverschlingend munter über Gott, die Welt, die Kunst und das Leben.
Ein älterer bärtiger Mann der mich auf Grund seiner kaputten und dreckigen hellbraunen Hose, einer beigen Strickweste mit Löchern so groß wie seine Taschen aus denen andauernd Nägel herausfallen die er dann taumelnd versucht aufzuheben mehr an einen Obdachlosen oder Langstreicher erinnert, sagt was, das keiner versteht und lacht sich dabei kaputt. Er hat sich zu Tony gestellt, der ihm wohl auch nicht ganz folgen kann. Neugierig stelle ich mich dazu, und Tony erklärt dass der Mann deutsch spreche, und endlich erkenne ich ein „Staubsauger“. „Schaubschauber“ sagt er wieder und lacht Tränen. „even better“ bringt er raus, „Uneeseebut“ keucht er, und erklärt Tony „Submarine“. Tony versucht zu wiederholen, und lacht mit, ich laufe weiter.
Um neun ist eigentlich Feierabend, aber da immer noch Bier ausgeschenkt wird will auch keiner heim gehen.
Als wir dann nach 10 endlich aufgeräumt, gefegt und gewischt haben mache ich mich mit Jenny auf den Weg zur Tube. Eigentlich wollte ich morgen endlich im nahe gelegenen Victoria Park joggen gehen, und mir am Nachmittag ein paar Gallerien mit Jenny ansehen, aber Tony hat vergessen dass er uns beiden einen freien Tag gegeben hat. Also muss ich doch herhalten, um am Samstag frei zu bekommen. Und auf einmal frage ich mich wieso ich an meinem Geburtstag eigentlich einen Day off habe, wenn ich sowieso allein bin.
Auch das endlich eingetroffene Besteck in der Wohnung kann mich plötzlich nicht mehr aufmuntern, und ich lege mich ins Bett, hör traurige Musik und schlafe ein.
EddiinLondon - 10. Okt, 13:19
Raus aus der deutschen Residenz!
Seit gestern bin ich offizielle Mitbewohnerin („Flat mate“) einer Multikulturellen WG, die aus zwei Brasilianern, einem Italiener und einem Vietnamesen besteht.
Mein erster Eindruck war, im Vergleich zu den anderen Wohnungen die ich bisher gesehen habe recht gut, weshalb ich gleich zugesagt und den Vertrag unterschrieben habe.
Mein zweiter Eindruck war dann doch etwas kritischer: Männer WG- ALARM! (I am not amused!)
Dreckige Socken, ungewaschenes Geschirr, schmutzige Armaturen und siffiger Herd verpisste Klobrille, verkalktes Bad, dreckiges Waschbecken, und schmutzige Fußböden. Aber nichts was Mr. Muscle (das englische Pendant zu Meister Proper) nicht in den Griff bekommen könnte. Deswegen habe ich mich dann heute Morgen nach meinem Frühstück guter Dinge an die Grundreinigung der mir zustehenden Bereiche gemacht. Heißt: FRÜHJAHRSPUTZ!
Mit dem wenigen mir zur Verfügung stehenden Putzzeug, Handschuhen und dem aus der Agentur geklauten Putzschwamm (als ich die angebrochene Packung neuer Schwämme gesehen habe hab ich mir gleich gedacht, “man weiß ja nie…“) hab ich angefangen zuerst Geschirr, Armaturen, Herd, Ofen und Fußboden sauber zu machen. Dem ist das Bad gefolgt, Dusche, Waschbecken, Badewanne… Leider ist Mr. Muscle nicht ganz so stark wie er beworben wird, ohne mich wäre er aufgeschmissen gewesen!
Die Flasche in der Hand spreche ich als zu dem Glatzkopf auf der Verpackung „haste ja doch nich so viel aufm Kasten wie de denkst“, aber ich glaube das ist ihm egal.
Immerhin sind nach langem Schrubben die Haare aus dem Bad verschwunden, die Kalk und Siff- Ränder, die in der Dusche klebenden Kaugummis, und der ganze restliche Müll sowie leere Schampoflaschen und Seifenverpackungen.
Mein Mitbewohner, der jetzt erst aufsteht schaut sich das ganze an und ist sichtlich beeindruckt. „I just did some cleaning“ erkläre ich ihm. „Nice“, antwortet er und tapst verschlafen in die Toilette. Ich rufe ihm noch hinterher „And I expect you to keep it clean!“ und hab mich noch nie so deutsch gefühlt wie jetzt.
Nachdem er auch die Küche bewundert hat , wo ich altes vergammeltes Essen, vergorene Milch und altes Brot weggeschmissen habe, stimmt er mir zu, einen Putzplan für alle Mitbewohner zu machen, und ein paar Regeln aufzustellen, die solche Reinigungen von nun an etwas erleichtern sollen.
Sein Brasilianischer Kumpel, der noch im Bett liegt, sieht das auch nicht anders, aber wie das ganze in der Praxis aussehen soll, daran müssen wir sicher noch arbeiten.
Sonst ist gegen meine Mitbewohner nicht viel einzuwenden. Ricardo aus Italien arbeitet nebenher in der Tate Modern und macht selbst Kunst, überall stehen Bilderrahmen und Leinwände von ihm rum.
Was der Vietnamese macht, von dem ich noch nicht mal einen Namen weiß, hab ich keine Ahnung. Und die Brasilianer Phillipe und (ich glaube) Andrej studieren. Sie bleiben, wie auch der Namenlose Vietnamese, der nicht älter als 15 aussieht bis Dezember. Ricardo wird bald wieder ausziehen, weshalb ich die Hoffnung habe bald weibliche Unterstützung zu bekommen.
Zusammen warten wir jetzt nur noch auf die Kücheneinrichtung, die momentan nur spärlich vorhanden ist (ein kleiner Topf, eine Pfanne, 4 Teller, 4 Gläser, 4 Tassen, ein Brotmesser, und ein Nudelsieb), und einen Spiegel im Bad(auch wenn ich nicht weiß wo man den noch anbringen soll),Mülleimer (wir haben weder in der Küche, noch im Bad oder in der Toilette, geschweige denn in unseren Zimmern welche), sowie Schlösser an unseren Türen, für die wir 25 Pfund hätten zahlen müssen wäre ich nicht noch mal in der Wohnungsagentur vorbeigegangen um denen zu erklären dass ich dafür schon mit meiner Miete reichlich genug aufkomme, und, sollte die Kücheneinrichtung nicht bald vollständig sein, nicht bereit bin die vollständige Miete zu zahlen (was bei ner unvollständigen Wohnung ja auch Sinn macht). Schließlich sind Lebensmittel hier relativ teuer, und Essen gehen ist gar nicht erschwinglich! Sowieso schmecken die Sandwiches hier scheiße.
Glücklicherweise hab ich ein Notfall Besteckset bei mir, haben viele gelacht als sie es gehört haben, jetzt müsst ich mit n Fingern essen, hätte ich es zu Hause gelassen!
Mein Nächstes Ziel für heute heißt Primemarkt und auf meinem Einkaufszettel stehen:
Geschirrtücher
Putzschwämme
Essigreiniger
Waschmittel
Wäscheleine
Wäscheklammern
Ich sollte mir überlegen an der nächsten Wahl zur Miss Germany teilzunehmen…
EddiinLondon - 10. Okt, 00:07
Jetzt sind es immerhin schon 11 Tage, seit ich auf der Insel gelandet bin, und seit einer knappen Woche hab ich nichts mehr von mir hören lassen.
Das lag nicht nur daran, dass ich oft Probleme mit dem Internet habe und sich zudem auch meine Tastatur verstellt hat, sodass ich auch offline nicht weiter schreiben konnte (Nach einem Notruf in der Zentrale „Papi haben wir auch dieses Problem gelöst!- Danke!), sondern auch daran, dass ich beschäftigt mit allem Neuen, abends in der Regel zu müde war, um mich noch mal an den Laptop zu sitzen, oder Pub- und Bar Besuche mich abgehalten haben.
Meine Wohnungssuche ist erfolgreich vorangeschritten, nachdem ich von einigen Viewings ganz schön verzweifelt nach Hause gekommen bin.
Marode Bruchbuden, mit dreckigen Küchen, wo sich auf den Armaturen altes Essen und dreckige Teller, Pfannen und Gläser gestapelt haben, nach Kompost riechend und wahrscheinlich von Kakerlaken bewohnt, Backöfen wo man schon von außen erahnen konnte, dass man sie besser gar nicht erst öffnet, die Wände mit Fett verspritzt und Fußböden auf denen man wirklich festklebt. Bäder mit verschimmelten Fließen, braunen Duschen, oder ebenfalls angeschimmelten Duschvorhängen (die Waschbecken sahen auch nicht besser aus), und Toiletten, die aussahen als ob sie zusammenbrechen könnten wenn man sich drauf setzt (wobei da ohnehin keiner mehr auf die Idee gekommen wäre sich zu setzen), Teppichböden, wie man sie aus diesen Talkshows mit dem Motto „Widerlich- Du lebst wie ein Messie!“ kennt und Matratzen, die rochen als hätte sie einer kräftig durchuriniert, in der Nase brennend und Brechreiz erregend. Die Zimmer waren oftmals verdammt klein und nicht selten ohne Fenster, die Umgebung Slums gleichend oder/und von Rohbauten umgeben, von denen Baustellenlärm sich einen Dezibel-Wettkampf mit den vorbeiratternden S- Bahnen lieferte.
Andere Zimmer bekam ich gar nicht erst zu Gesicht, weil man mir die Tür mit dem Satz: “Oh, it’s just gone“ geöffnet hat, nachdem ich mir in der Galerie Jenny zwei oder drei Stunden allein gelassen habe um mal „kurz“ in Zone 3 (was mich extra kostet, da mein Ticket nur bis Zone 2 gilt) zu fahren.
Dazu kam dann auch, dass meine Erkältung, die ich teils noch von zu Hause mitgebracht habe zu einer Nierenentzündung, oder Blasenentzündung ausgeartet ist, sodass ich alle 5 Minuten, oder noch öfter eine Toilette aufsuchen musste, was nicht gerade leicht ist, wenn man 20 min in einer Tube sitzt, bis man umsteigen kann.
So musste ich mir meine Ruten so legen, dass ich zumindest an den Stationen umsteigen kann, wo es öffentliche Toiletten hat, die (clever wie die Engländer sind) 30 Pennys wollen.
Nur hat man hier irgendwie immer 20 Pennys in deiner Tasche, die Automaten geben kein „Cashback“, und wechseln nur 1 Pfund, oder 50 Penny Münzen, was daraus folgend mich jedes Mal 40 Penny kostet. Bei meinen 100 Pipistops täglich hochgerechnet also… gut, lassen wir das…
Um meinem Customer of the Week der Liverpool Street Station Toilette ein Ende zu setzen bin ich also schließlich dem Rat von Jenny gefolgt, hab meine Eigenmedikation mit Wick Daymed beendet und mir in der Apotheke was gegen meine Blasen, Nieren oder was auch immer Entzündung geben zu lassen, und angefangen Cranberrys (Preiselbeeren) in jeder Form zu mir zu nehmen, hier schwören alle drauf. Bekommt man als Saft in jedem Supermarkt, frisch(hier gibt’s sogar noch frische Erdbeeren!) oder getrocknet wie Rosinen (mach ich mir jeden Morgen in mein Müsli). Und wahrhaftig, zwei Tage später geht’s mir schon viel besser!
Als nächstes werde ich die Deutsche Residenz verlassen, und mich ins Multikulturelle Londoner Leben stürzen, denn auch meine Wohnsituation hat sich geändert. Aber dazu beim nächsten Mal mehr…
EddiinLondon - 10. Okt, 00:02