1
Dez
2008

Heimweg

Mein Tag heute beginnt mit dem guten Vorsatz mich mal wieder in der Galerie blicken zu lassen, vorher will ich aber noch das Paket aufgeben, in dem ich weniger wichtige Dinge schon mal im Voraus nach Hause schicken will, um mein Gepäck etwas zu reduzieren. Entgegen meines letzen Vorsatzes gehe betrete ich wieder meinen Lieblingspostschalter neben der Mile End Station. Mein Knie schmerzt heute noch mehr als gestern, und ich will mir einfach unnötige Lauferei ersparen.
Am Postschalter glaube ich meinen Ohren nicht, als die mal wieder schmatzende Inderin(diesmal ist es immerhin ein Apfel) sagt, das Porto betrage 30 Pfund. 30 Pfund für 4 Kilo. Ist sie des Wahnsinns? „Ich möchte gerne nur die billigste Versandmöglichkeit“ erkläre ich, und sie wiederholt in abgehacktem Englisch „Tördy Paunds“. Für den Betrag kann ich mich mit Ryanair schon selbst nach Hause senden denke ich mir, und bitte sie, mir mein Packet zurück zu geben. „Was wäre das nächst günstigere?“ will ich wissen, und sie sagt „ Mor den tu kilo, tördy Paunds“. „Aha, und zwei? Was kosten zwei?“ „ilewen Paunds“ sagt sie knapp.
„Also kann ich zwei Pakete günstiger versenden als dieses eine?“ „Mor den tu kilo, tördy Paunds“ wiederholt sie, als wäre das genug als Erklkärung. Abgesehen davon habe ich lange genug auf dem Wochenmarkt gearbeitet, um zu wissen, dass ich keine 4 Kilo in meiner Hand halte, aber wie erkläre ich ihr jetzt, dass ich denke dass sie mich bescheißt, ohne dass sie mich vom Sicherheitspersonal abführen lässt, weil ich sie verbal bedrohe.
Ich klemme mir die in Bart Simpson verpackte Schuhschachtel unter den Arm und laufe wieder zurück in meine Wohnung. Dem ganzen Tag muss ich mir das Ding schließlich auch nicht hinterher schleppen. Mein knurrender Magen erinnert mich, dass es Mittag ist. Ich hab Lust auf was Warmes. Und außerdem scheint heute die Sonne. Ich dachte die gibt es gar nicht mehr in London. „Die letzte Sonne hab ich soeben verkauft, die nächste Ladung kommt erst in ein paar Monaten wieder rein, fragen sie am besten nach meinem Kollegen Herrn Sandmann“ hätte mir der Typ aus dem Buch das ich gerade lese erklärt. Ich habe heute keine Lust auf Pierres dunkles Kämmerlein. Ich weiß, dass ich schon ewig nicht mehr da war, aber wieso soll ich etwas machen nachdem mir absolut gar nicht ist?
Während die Nudeln kochen putze ich den Backofen und spüle das Geschirr, dass mein Mitbewohner, der „Irgendjemand“ heißt, und scheinbar irgendwo hier wohnt stehen hat lassen. Philippe, Andrea, Marco und Minh waren es jedenfalls nicht. Minh hab ich nicht gefragt, aber er hat auch seit einer Woche sein Zimmer nur verlassen um auf die Toilette zu gehen. Die Pasta mit Tunfisch schmeckt lecker, danach gönne ich mir noch einen Spaziergang durch den Park.
Ich schnappe mir meine hellblaue Lektüre, und mache mich auf den Weg. Im Park sind trotz eisiger Temperaturen eine menge Menschen unterwegs. Ein älteres Paar füttert die dicken Enten und Möwen, die plötzlich zu hunderten landen und sie schnatternd einkreisen. Zu schnattern beginne ich auch bald, ich hätte mir Handschuhe einpacken sollen, sowieso ist das Wetter nicht geeignet um bewegungslos in der Kälte zu sitzen.
Ich fliehe in das Cafe, das mir schon beim letzen Mal aufgefallen ist. Es ist eines von denen, die fairen Handel unterstützen, und dennoch billiger ist als Starbucks (ich hab noch nie bei Starbucks was getrunken, aber eine Zeit lang aus dem Vorratsraum Wasserflaschen geklaut. Der Laden war gleich neben irgendeiner großen Tube Station, und war für Judith und mich eine einladende Öffentliche Toilette. Während eine Schmiere stand, hat die andere die Tasche gefüllt. )
Ich entscheide mich etwas für eine fairere Welt zutun und bestelle einen Tee. Sie haben nur Grün und Schwarz. Für Schwarz ist es mittlerweile zu spät, und grün schmeckt mir nicht, aber er ist heiß, und das genügt mir und meinen Eiszapfenfingern dann doch. Während ich über meinem Buch zusehe wie es draußen immer dunkler wird leert sich das Cafe. Es ist 4, und der Park schließt viertel nach. Als ich wieder weiterlaufen will brennt mein Knie noch mehr. Stillsitzen tut ihm irgendwie nicht so gut.
Auf dem Heimweg humple ich über den Roman Road Market, und betrete einen Woolworth. Nicht dass ich einen Toaster, Putzeimer, PC oder vielleicht eine Baby Born Puppe (es gibt diese Dinger tatsächlich noch) bräuchte, aber es ist warm, und man kann sich ja mal einfach so umsehen. Ich schlendere durch die Regale. Die Spielzeugecke löst beim mir Kopfschütteln aus. Es gibt Roboter als Kuscheltiere. Womit sich Kinder heute so unterhalten…
Vor einem Regal bleibe ich stehen. Ich will diese blöde Verpackung aufmachen! Schaut ein Verkäufer? Ich will nicht zum Kauf gezwungen werden! Aber es sind doch wie ich vermutet habe sehr gute Pinsel. Ich streiche mit meinem Finger über die Borsten. Drei Euro in der Spielzeugecke… Die Leute wissen auch nicht was sie verkaufen. Erfreut über das Schnäppchen kaufe ich mir noch eine Packung Kinderriegel, und stelle mich an die Kasse. Der Verkäufer bittet mich an eine andere. Ich zahle, und während ich meinen Heimweg fortsetze wird mir bewusst, dass ich soeben Pinsel gekauft habe.
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