Ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit
Hoffentlich bin ich nicht zu spät, denke ich, während ich die Stufen der Westminster Station hoch renne. Das Feuerwerk gestern hab ich verpasst, nachdem die U- Bahn gesperrt wurde. Einfach so, dabei war ich ausnahmsweise wirklich gut in der Zeit. Trotzdem wurde der Abend spät, und der Morgen verdammt früh…
Um 10 war ich mit Pierre vor dem Parlament verabredet, jetzt ist es drei nach. Pierre ist nicht da, und auf seinem Handy nicht erreichbar.
Auch wenn ich noch keine Ahnung habe, dass ich heute die wohl bewundernswertesten Menschen in meinem Leben kennen lernen werde, weiß ich, dass ich da unbedingt rein muss.
Da, das ist Raum 106, wie mir der Pförtner erklärt, nachdem ich ihm gesagt habe, dass ich in Begleitung eines Mitgliedes einer Oppositionsgruppe der Iranischen Regierung hier bin, und an einer Sitzung mit teilnehmen darf.
Dann muss ich da eben allein hin laufen, meint er trocken. Allein? Ich? Einfach so durch das Parlament? Ich bin überrascht, wie einfach das geht. Nachdem ich im Eingang ein Schwarz-weiß Verbrecher Foto bekomme, und meine Tasche nach Waffen durchleuchtet wird, spaziere ich durch das Regierungsgebäude, die Türsteher erklären mir freundlich den Weg, keiner fragt mich was ich will und wer ich bin. Ich laufe lange Gänge entlang, rechts und links Statuen von wichtigen Persönlichkeiten, die meisten tragen lange Haare und Strumpfhosen. Die Wände sind vertafelt, haben große Gemälde, oder tragen Inschriften.
Zu Raum 106 führt eine schwere Holztür. Leise öffne ich sie, unsicher, ob ich nicht in eine wichtige Sitzung platze, und mich gleich hunderte Menschen anstarren könnten.
Aber nichts der gleichen.
Zwei Frauen, eine jung, eine alt, beide tragen ein Kopftuch, das sie locker um ihr Gesucht gebunden haben sitzen da und unterhalten sich.
Sie begrüßen mich, und ich frage ob ich hier denn richtig sei. Ich kann keinen Pierre sehen. Das Treffen? Das beginnt um 11 erklären sie. Beide sind sie Flüchtlinge aus dem Iran, beide haben sie Brüder und die ältere sogar einen Mann verloren. Gefoltert und hingerichtet, weil sie gegen den Staat gekämpft haben. Die ältere erklärt mir, dass sie mit ihrer Tochter weg musste, nachdem an ihrer Universität ihre Politische Überzeugung verraten wurde.
Langsam beginnt der Raum sich zu füllen, und da erscheint auch Pierre, der mich knapp verpasst hat, und gewartet hat, weil er von meiner Verspätung überzeugt war.
Auf einem kleinen Tisch steht ein Foto von einem Mann, den ich auf Mitte 40 schätze. Die beiden langen Kerzen rechts und links davon lassen nichts gutes ahnen. „Wer ist der Mann?“ will ich wissen. Seinen Namen habe ich vergessen, ein fremd klingender iranischer Name. Er ist an den Folgen der Folter erlegen erklärt mir eine der Frauen.
Die Richter betreten als letzte den Raum, der jetzt bis auf den letzen Platz gefüllt ist. Nur ein paar sehen europäisch aus. Der Richter, flüstert Pierre mir zu, ist der frühere oberste Richter des Europäischen Gerichtshofs.
Er leitet die Sitzung ein, mit einem Brief. Er ist von einem jungen Mädchen. Sie schreibt, dass wenn sie ihren Vater besucht haben, hat er immer gelächelt. Nichts hat ahnen lassen, wie schlimm die Folter war. Er war immer der Jenige, der in den acht Jahren das schweigen, dass jedes Mal geherrscht hat gebrochen hat. Meistens haben sie über die Schule gesprochen, und er hat sie ermuntert, fleißig weiter zu lernen, dass er stolz sein kann auf sie.
Der Brief ist von der Tochter des Mannes auf dem Foto.
Die Menschenrechte, erhebt der Richter das Wort, sind nicht nur Sache eines Staates, die Menschenrechte betreffen uns alle. Werden sie verletzt, verletzt man das Recht eines jeden Menschen auf der Welt. Und wenn einem Menschen in dieser Hinsicht Unrecht geschieht, so ist es unser aller Pflicht, ihm zu helfen.
2001 wurde er inhaftiert, misshandelt und gefoltert, bis sie ihm 2008 den Schädel eingeschlagen haben und den Brustkorb aufgerissen haben. Etliche Knochen seiner Körpers waren gebrochen und zersplittert, so wurde er der Familie übergeben. Die Strafe, weil er als Menschenrechtler in der Opposition als Staatsfeind galt.
Er ist nur einer von 2 500 wie ich erfahre, und ich frage mich, wie ich jemals von mir behaupten konnte, hohe Ideale zu haben.
Die Folter, fährt er fort, dient dem Zwecke, Falschaussagen zu erzwingen, Angst zu schüren, und Exempel zu statuieren. Menschen, die so vorgehen, müssen Psychopathen sein, die Spaß daran haben, andere Menschen zu quälen.
Es folgt ein Video der Beerdigung. Leise Geigenmusik, dann arabische Musik, Flöten und Gesang. Männer und Frauen in schwarz begleiten einen Sarg, den man unter den vielen Blumen nur vermuten kann. An einem Altar liest eine Frau etwas vor. Ich erkenne den Text, es ist seine Tochter mit dem Brief. Eine große Leinwand zwischen Fackeln zeigt sein Foto, unter freiem Himmel stehen Tausende Trauernde vor der Bühne.
Ich höre ein Schluchzen, die Frau neben mir hat angefangen zu weinen, und auch viele andere können die Trauer nicht unterdrücken. Vielen rinnen Tränen über die Gesichter. Ich reiche der Frau ein Taschentuch, es ist kein angenehmes Gefühl, dass das im Moment alles ist was ich für sie tun kann.
Eine ältere Britin beginnt zu sprechen. Sie hat viele Städte im Iran bereits besucht, hat Opfer, und Familienmitglieder von Opfern getroffen. Sie kann über das Geschehen sprechen, sie kann versuchen dagegen zu kämpfen, aber sie wird nie fühlen können, wie es ist in einem solchen Staat zu leben, immer in der Angst, der nächste sein zu können…
Der Sohn, der später mit dem Richter telefoniert dankt ihm ununterbrochen. Wo er und seine Schwester jetzt sind kann ich nicht ganz verstehen. Er spricht kein Englisch, seine Schwester übersetzt. 8 Jahre Folter konnten seinen Willen nicht brechen. Das sind Menschen vor denen der Staat Angst hat. Und es sind tausende Menschen, deren Willen stärker ist als die Angst.
Den ganzen Tag noch und auch jetzt bekomme ich Gänsehaut, wenn ich daran denke. Die Frauen haben sich bei mir bedankt, dass ich dabei war und mich informiert habe. Ich verspreche darüber zu reden. Wir alle wissen, dass viele schrecklichen Dinge in der Welt passieren, und dass sich während dessen ein paar Regierungsköpfe um Öl streiten, aber wenn wir damit konfrontiert werden, dann fragen wir uns, warum uns das keiner gesagt hat bisher.
Um 10 war ich mit Pierre vor dem Parlament verabredet, jetzt ist es drei nach. Pierre ist nicht da, und auf seinem Handy nicht erreichbar.
Auch wenn ich noch keine Ahnung habe, dass ich heute die wohl bewundernswertesten Menschen in meinem Leben kennen lernen werde, weiß ich, dass ich da unbedingt rein muss.
Da, das ist Raum 106, wie mir der Pförtner erklärt, nachdem ich ihm gesagt habe, dass ich in Begleitung eines Mitgliedes einer Oppositionsgruppe der Iranischen Regierung hier bin, und an einer Sitzung mit teilnehmen darf.
Dann muss ich da eben allein hin laufen, meint er trocken. Allein? Ich? Einfach so durch das Parlament? Ich bin überrascht, wie einfach das geht. Nachdem ich im Eingang ein Schwarz-weiß Verbrecher Foto bekomme, und meine Tasche nach Waffen durchleuchtet wird, spaziere ich durch das Regierungsgebäude, die Türsteher erklären mir freundlich den Weg, keiner fragt mich was ich will und wer ich bin. Ich laufe lange Gänge entlang, rechts und links Statuen von wichtigen Persönlichkeiten, die meisten tragen lange Haare und Strumpfhosen. Die Wände sind vertafelt, haben große Gemälde, oder tragen Inschriften.
Zu Raum 106 führt eine schwere Holztür. Leise öffne ich sie, unsicher, ob ich nicht in eine wichtige Sitzung platze, und mich gleich hunderte Menschen anstarren könnten.
Aber nichts der gleichen.
Zwei Frauen, eine jung, eine alt, beide tragen ein Kopftuch, das sie locker um ihr Gesucht gebunden haben sitzen da und unterhalten sich.
Sie begrüßen mich, und ich frage ob ich hier denn richtig sei. Ich kann keinen Pierre sehen. Das Treffen? Das beginnt um 11 erklären sie. Beide sind sie Flüchtlinge aus dem Iran, beide haben sie Brüder und die ältere sogar einen Mann verloren. Gefoltert und hingerichtet, weil sie gegen den Staat gekämpft haben. Die ältere erklärt mir, dass sie mit ihrer Tochter weg musste, nachdem an ihrer Universität ihre Politische Überzeugung verraten wurde.
Langsam beginnt der Raum sich zu füllen, und da erscheint auch Pierre, der mich knapp verpasst hat, und gewartet hat, weil er von meiner Verspätung überzeugt war.
Auf einem kleinen Tisch steht ein Foto von einem Mann, den ich auf Mitte 40 schätze. Die beiden langen Kerzen rechts und links davon lassen nichts gutes ahnen. „Wer ist der Mann?“ will ich wissen. Seinen Namen habe ich vergessen, ein fremd klingender iranischer Name. Er ist an den Folgen der Folter erlegen erklärt mir eine der Frauen.
Die Richter betreten als letzte den Raum, der jetzt bis auf den letzen Platz gefüllt ist. Nur ein paar sehen europäisch aus. Der Richter, flüstert Pierre mir zu, ist der frühere oberste Richter des Europäischen Gerichtshofs.
Er leitet die Sitzung ein, mit einem Brief. Er ist von einem jungen Mädchen. Sie schreibt, dass wenn sie ihren Vater besucht haben, hat er immer gelächelt. Nichts hat ahnen lassen, wie schlimm die Folter war. Er war immer der Jenige, der in den acht Jahren das schweigen, dass jedes Mal geherrscht hat gebrochen hat. Meistens haben sie über die Schule gesprochen, und er hat sie ermuntert, fleißig weiter zu lernen, dass er stolz sein kann auf sie.
Der Brief ist von der Tochter des Mannes auf dem Foto.
Die Menschenrechte, erhebt der Richter das Wort, sind nicht nur Sache eines Staates, die Menschenrechte betreffen uns alle. Werden sie verletzt, verletzt man das Recht eines jeden Menschen auf der Welt. Und wenn einem Menschen in dieser Hinsicht Unrecht geschieht, so ist es unser aller Pflicht, ihm zu helfen.
2001 wurde er inhaftiert, misshandelt und gefoltert, bis sie ihm 2008 den Schädel eingeschlagen haben und den Brustkorb aufgerissen haben. Etliche Knochen seiner Körpers waren gebrochen und zersplittert, so wurde er der Familie übergeben. Die Strafe, weil er als Menschenrechtler in der Opposition als Staatsfeind galt.
Er ist nur einer von 2 500 wie ich erfahre, und ich frage mich, wie ich jemals von mir behaupten konnte, hohe Ideale zu haben.
Die Folter, fährt er fort, dient dem Zwecke, Falschaussagen zu erzwingen, Angst zu schüren, und Exempel zu statuieren. Menschen, die so vorgehen, müssen Psychopathen sein, die Spaß daran haben, andere Menschen zu quälen.
Es folgt ein Video der Beerdigung. Leise Geigenmusik, dann arabische Musik, Flöten und Gesang. Männer und Frauen in schwarz begleiten einen Sarg, den man unter den vielen Blumen nur vermuten kann. An einem Altar liest eine Frau etwas vor. Ich erkenne den Text, es ist seine Tochter mit dem Brief. Eine große Leinwand zwischen Fackeln zeigt sein Foto, unter freiem Himmel stehen Tausende Trauernde vor der Bühne.
Ich höre ein Schluchzen, die Frau neben mir hat angefangen zu weinen, und auch viele andere können die Trauer nicht unterdrücken. Vielen rinnen Tränen über die Gesichter. Ich reiche der Frau ein Taschentuch, es ist kein angenehmes Gefühl, dass das im Moment alles ist was ich für sie tun kann.
Eine ältere Britin beginnt zu sprechen. Sie hat viele Städte im Iran bereits besucht, hat Opfer, und Familienmitglieder von Opfern getroffen. Sie kann über das Geschehen sprechen, sie kann versuchen dagegen zu kämpfen, aber sie wird nie fühlen können, wie es ist in einem solchen Staat zu leben, immer in der Angst, der nächste sein zu können…
Der Sohn, der später mit dem Richter telefoniert dankt ihm ununterbrochen. Wo er und seine Schwester jetzt sind kann ich nicht ganz verstehen. Er spricht kein Englisch, seine Schwester übersetzt. 8 Jahre Folter konnten seinen Willen nicht brechen. Das sind Menschen vor denen der Staat Angst hat. Und es sind tausende Menschen, deren Willen stärker ist als die Angst.
Den ganzen Tag noch und auch jetzt bekomme ich Gänsehaut, wenn ich daran denke. Die Frauen haben sich bei mir bedankt, dass ich dabei war und mich informiert habe. Ich verspreche darüber zu reden. Wir alle wissen, dass viele schrecklichen Dinge in der Welt passieren, und dass sich während dessen ein paar Regierungsköpfe um Öl streiten, aber wenn wir damit konfrontiert werden, dann fragen wir uns, warum uns das keiner gesagt hat bisher.
EddiinLondon - 13. Nov, 18:22