Je länger ich hier bin desto mehr sehne ich mich nach 2 Dingen: Ordnung und Ruhe.
Zuhause war ich der kleine Chaot, der immer Krach macht, am liebsten beim Treppen laufen, aber eigentlich auch sonst immer. Herumliegende Taschentücher- gebraucht natürlich- ich war’s. Mitternächtlicher Imbiss, der das ganze Haus aufweckt, wer sonst…
Ordnung zu halten ist nicht gerade einfach mit 5 Kerlen. Manchmal komme ich mir vor wie die Spülhilfe der WG, wenn ich mal wieder Teller mit Spülmittel bearbeite, oder Töpfe spüle, weil ihnen noch keiner erklärt hat, dass es nicht reicht nach dem Würstchen kochen nur das Wasser weg zu schütten und den Topf in den Schrank zurück zu stellen. Unser Geschirr hat leider auch leine Füße, auf denen es nach dem Spülen einfach ins Regal zurück läuft, aber bevor ich mich jedes Mal aufspiele, erledige ich es eben selbst.
Marco nennt mich „Manager of the House“, was mit seinem italienischen Akzent noch ehrfürchtiger klingt. Riccardo, der mich gestern hier abgeholt war total überrascht von der Ordnung die mit mir kam und auch sicher wieder mit mir gehen wird.
Worauf ich aber keinen Einfluss habe ist der Lärm. Er ist hier allgegenwärtig.
Es brummt, es quietscht, es hämmert, es kreischt, es heult und es dröhnt.
Manchmal würde ich gerne diese Stadt, in der man oft sein eigenes Wort nicht versteht auf „Ton aus“ schalten.
Ruhe-Therapien sind hier eine noch nicht entdeckte Marktlücke.
Während neben mir die Waschmaschine schleudert gurgelt das Spülbecken. Wasser steigt aus dem Abfluss aus und übergibt sich auf das saubere Geschirr.
Dann also noch mal von vorn…
EddiinLondon - 13. Nov, 23:21
Später kommt noch Marco rein. Ich sitze mit meinem PC tippend in der Küche.
Unter seinem Arm eine riesen Plastiktüte voller Wäsche. Er will wissen wie man sie wäscht. Er stopft Socken, Shorts, Pullis in die Trommel. Darf man das alles zusammen, fragt er planlos, und wie viel Grad, und was kommen jetzt wo rein? Er hält Minhs Weichspüler in die Hand und zeigt auf die offene Schublade der Waschmaschine.
Jetzt reicht’s!
„Ich muss sowieso zum Lidl“, lüge ich. Komm doch mit, dann weißte wo du einkaufen kannst, und besorgst die Waschmittel und Essen“ (und eigene Schokolade-aber das denke ich nur).
„Perfect!“, meint er „I need also some Pasta!“...
EddiinLondon - 13. Nov, 22:17
Plötzlich ist London riesengroß. Ich laufe in Richtung Tube, durch die Menschenmasse. Alle sind sie auf dem Heimweg, so wie ich auch. Nur fühle ich mich nicht so. Nach einem stressigen Arbeitstag laufen die Anzüge durch die große Halle der Liverpool Street Station, freuen sich auf ihren Feierabend und ich stehe mitten drin.
Nachdem meine Familie die letzen 3 Tage hier in London verbracht hat, hätte ich sie gerne hier behalten. Es ist nicht fair, wenn man eine sieben Millionen Stadt mit den 3 wichtigsten Menschen teilen muss.
Die Tube steht schon da, und ich steige ein. Die erste Station, an der ich umsteigen muss kommt mir fremd vor. Ist sie auch, denn es ist de falsche. Nach zwei Monaten täglicher Tubefahrerei hab ich es das erste Mal geschafft in eine komplett falsche Tube zu steigen! Ich steige um, und vergesse gedankenverloren dass ich ja umsteigen muss, aber das ist mir auch egal. Müde steige ich später aus der U-Bahn nahe meiner Wohnung, während ein paar junge Deutsche an mir vorbei laufen. Einer von ihnen scheint hier zu leben, der Rest frägt „welche Treppen müssen wir nehmen?“
Das Wochenende hat Samstag morgen begonnen, als ich meine Eltern und meinen Bruder an der Liverpool Street Station abgeholt habe, und nach einem kurzen Check in gleich nach London Bridge geschleift habe, um ihnen im ältesten Viertel Londons, wo sich im elften Jahrhundert die ersten Menschen angesiedelt haben, den Borough Market zu zeigen, der mit seinen über 200 Jahren ebenfalls älteste Markt der Stadt, wo man Gemüse, Früchte und Fleisch in allen Formen bekommt, frisch, getrocknet, gekocht und verarbeitet…bekommt. Für Liebhaber das reinste Schlemmerparadies. Das Wetter war auch very british, was mir aber kaum was ausmachte, auch wenn Sonnenschein wünschenswerter gewesen wäre. Beim Mittagessen in einem Fisch Restaurant mussten wir dann alle feststellen, dass es sich gar nicht anfühlt, als hätten wir uns 2 Monate nicht gesehen. Nachdem ich ihnen die Galerie gezeigt hatte und sie auch Pierre kennen gelernt haben, ging es an den Tottenham Court, wo wir uns im Dominion Theater, wo wir Queen einen Besuch abgestattet haben.
Nein, es gab weder Tee noch Sandwiches.
„We will Rock you“ war eine Aufführung, die wohl vor allem mein Vater als alter Queenfan nicht so schnell vergessen wird, vor allem nicht die Stelle, als Ben Elton mit seiner E-Gitarre auf die Bühne kam, um ein kurzes Solo hinzulegen.
Vielleicht hätte ich ihn bestechen sollen, dass wenn sie hier bleiben wir jeden Tag hier vorbei schauen könnten.
Mein persönliches Highlight war aber das Abendessen, das eigentlich ganz unspektakulär bei mir zu Hause statt fand, aber ich endlich wieder mit der ganzen Familie am Tisch sitzen konnte, und selbst mein Bruder, den man bevor ich weg bin doch recht selten anwesend gesehen hatte dabei war.
Die Küche war eng, der Tisch klein und den Tee gab es aus Gläsern, weil meine Mitbewohner in ihren Zimmern eine private Tassen Sammlung führen, jedoch war das Essen unbeschreiblich. Wie zu Hause!
Müde verabschiedeten mein Bruder, der bei mir übernachtete und ich meine Eltern, die sich auf den Weg zum Hotel machten. Schlafen konnte ich trotzdem nicht. Ich war immer noch richtig aufgedreht vor Freude. Seltsam, mit 15 oder 16 kann man es gar nicht abwarten von zu Hause weg zu kommen, und dann wird man älter, zieht weg, und wünscht sich plötzlich, mehr Zeit mit ihnen verbringen zu können.
Nach einem reichlichen Frühstück im Hotel ging es auf den nahe liegenden Sunday Up Market in Brick Lane, wo man Köstlichkeiten aller Kulturen zu essen bekommt, und die aberwitzigsten Designerkleider, Hippieschmuck, oder traditionelle fernöstliche Massagen.
Bei Sonnenschein machten wir uns auf den Weg nach Westminster, wo sie Benni und seine Freunde kennen lernen durften, und ihm auch von weit oben aus Londons Auge winken konnten. Als Höhenangst geschädigte kann ich trotzdem stolz sagen, dass sich die Überwindung gelohnt hat!
Blutige Geschichten, und informative Fakten gab es danach von Bob, bei einer Führung durch die Folterfestung, dem Tower, über die makabere Experimentierfreudigkeit der alten Engländer. Zum Beispiel, wie man ein Geständnis erpressen kann, wenn man einen Menschen wie eine Kordel zusammenzwirbelt. Oder aber wie Teilzeithenker als Vollzeitalkoholiker einige Versuche brauchten, um eine Enthauptung zu vollstrecken (Der unschuldige, dem zuerst Arm und Schulter abgehackt wurden, bekam immerhin seinen Kopf zurück angenäht, nachdem man den rechtmäßigen Täter gefasst hatte.)
Im einstigen Folterbunker ist jetzt der Souvenir und Geschenke Shop, die moderne Art der Folter laut Bob, der uns darüber in Kenntnis setze, dass das rot blaue Kleidchen das er trägt kein Kostüm ist, sondern die Uniform der königlichen Leibgarde. Nach einem Pflichtbesuch beim größten Diamanten der Welt vertrieben mir Hunger, Müdigkeit und Regenwetter jegliche verbliebene Erkundungsneugier, und so ging es nach einem Abstecher in der Markthalle zum letzen Punkt der Tagesordnung, der Piccadilly Circus, die große belebte Kreuzung mitten in London, mit der bunten leuchtenden Werbung auf der wohl größten Leinwand die ich in meinem Leben gesehen habe und bei meinem ersten Besuch schon so fasziniert war. Nach einer erfolglosen Suche nach einem Pub, das Guinness zapft und nicht komplett überfüllt war (wie können sich Menschen nur sonntagabends in einem Pub dermaßen abschießen?), sind wir in einer amerikanischen Kneipe gelandet, aber immerhin Sitzplätze und Guinness vom Fass!
Ich hätte nichts dagegen gehabt die ganze Nacht Cider und Guinness trinkend sitzen zu bleiben…
Der 43. Geburtstag meiner Mutter begann dann heute Morgen mit Brunch und Bescherung. Das war dann auch der gemütliche Teil des Tages. Während Hunde und Katzen vom Himmel fielen stand uns die Besichtigung der Tower Bridge bevor, welche ungefähr 10 Minuten dauerte, und wir total eingenässt aufgaben uns mit teilweise schon kaputten Schirmen durch Wind und Regen zu kämpfen.
Der Spaziergang zur Millennium Bridge wurde zu einer Busfahrt umorganisiert, und die Besichtigung des Hyde Parks spontan zu einem Besuch in der Tate Modern. Immerhin stand die letzte Sehenswürdigkeit nebenan, mit den Geldgeiern im Eingang, die für eine Besichtigung in der St. Pauls Cathedral 12 Pfund wollten. Von irgendwas muss der liebe Herrgott scheinbar auch leben.
Für die gestressten Nerven gab es dann Kuchen, Kaffe und Earl Grey, bevor sich der schwerste Teil des Tages näherte. Abschied nehmen.
Vielleicht hätte ich ihnen doch den Deal mit den Dauerkarten machen sollen. Jetzt sitze ich mit Tee und Plätzchen aus der Heimat in der Leeren Küche und höre der Waschmaschine beim schleudern zu.
Kazunas Einladung, zusammen mit den anderen aus dem Beerhaus seinen Geburtstag zu feiern bin ich nicht gefolgt. Zum einen war ich viel zu müde, und zum anderen will ich auf den Anruf meiner Eltern warten, die sich melden wollten, wenn sie daheim angekommen sind, was in den nächsten Minuten geschehen dürfte…
Was ich dabei gelernt habe?
EddiinLondon - 13. Nov, 19:23
Müde liege ich im Bett. Es ist gerade mal acht Uhr Abends, aber der letzte Tag im Parlament und die Schicht danach im Beerhouse haben mich spürbar geschlaucht.
Während ich über Skype mit meinen Eltern telefoniere klopft es an der Tür.
Ein dunkelhaariges großes Supermodel steht vor mir.
Verwundert und etwas skeptisch halte ich Ausschau nach einem Gaul, aber nein, er ist nicht der scheiß Prinz.
Freundlich hält er mir die Hand hin und singt mit italienischem Akzent „Hellou I’m Marco, I’m from Firenze. I’m your niew flatmate. I wantet to cook some Pasta, are you hungry?” Ich verneine, hatte eben Abendbrot. Aber für einen Tee setzte ich mich neugierig zu ihm in die Küche, während er seine duftende Pasta um die Gabel wickelt, und verschlingt.
Ich erkläre unserem Neuling die von mir erstellten Rege in der WG, zeige ihm das Gemeinschaftsregal mit Gewürzen, Öl, Zucker und der aussortierten Schokolade, die mir nicht geschmeckt hat. Nachdem ich ihm meine Zweitausstattung an Bettwäsche borge(er hat nur ein Leintuch dabei) beschreibe ich ihm dann auch noch den Weg zum Primemarkt.
Die Schokolade ist gleich am nächsten Tag aufgegessen. Auch gut, denke ich mir. Den chemischen Bananengeschmack hat bei mir nur Brechreiz ausgelöst.
Am Abend von der Arbeit daheim finde ich mein Goldstück, das kleine Gewürzregal, dass ich extra nicht angerührt hatte, weil ich es meinen Eltern mitgeben wollte, um daheim damit zu kochen aufgerissen und in der Küche verteilt.
MARCOOOOO!!! „I’m sorry! I needed it form y Pasta!” entschuldigt er sich, und schaut dabei wie ein geschlagener Hund, der eigentlich unschuldig ist, weil er ja keine andere Wahl hatte.
Meine Freude wächst, als am nächsten Tag auch meine Kinder Schoko Riegel Packung von halb leer auf einen Riegel geschrumpft ist. Wütend stecke ich die fast leere Packung ganz hinten in den Schrank. Am Abend kann ich auch diese nicht mehr finden. Gab heute wohl Schokoladenpasta…
Wie kann ein 25 Jähriger Mann bei einer 25 Stundenwoche (ich arbeite das Doppelte!!!) es nicht auf die Reihe bekommen, sich das NÖTIGSTE zu besorgen?
Ein orangefarbener Föhn liegt jetzt auch zwischen unseren Töpfen, die Teller stehen bei den Tassen, und die Gläser leisten den Gewürzen Gesellschaft.
„I’m sorry, I didn’t know where to put it. “
Unser Tellerregal hat keine Türen und hängt unübersehbar über Herd und Mikrowelle…
„Ich hab mir eigene Bettwäsche gekauft“ erklärt er mir stolz, während er uns Pasta kocht. Das kann er immerhin, und sogar richtig gut.
„ich weiß“, grinse ich müde. „Ich hab die Verpackungen im Flur weggeräumt“
EddiinLondon - 13. Nov, 18:47
Hoffentlich bin ich nicht zu spät, denke ich, während ich die Stufen der Westminster Station hoch renne. Das Feuerwerk gestern hab ich verpasst, nachdem die U- Bahn gesperrt wurde. Einfach so, dabei war ich ausnahmsweise wirklich gut in der Zeit. Trotzdem wurde der Abend spät, und der Morgen verdammt früh…
Um 10 war ich mit Pierre vor dem Parlament verabredet, jetzt ist es drei nach. Pierre ist nicht da, und auf seinem Handy nicht erreichbar.
Auch wenn ich noch keine Ahnung habe, dass ich heute die wohl bewundernswertesten Menschen in meinem Leben kennen lernen werde, weiß ich, dass ich da unbedingt rein muss.
Da, das ist Raum 106, wie mir der Pförtner erklärt, nachdem ich ihm gesagt habe, dass ich in Begleitung eines Mitgliedes einer Oppositionsgruppe der Iranischen Regierung hier bin, und an einer Sitzung mit teilnehmen darf.
Dann muss ich da eben allein hin laufen, meint er trocken. Allein? Ich? Einfach so durch das Parlament? Ich bin überrascht, wie einfach das geht. Nachdem ich im Eingang ein Schwarz-weiß Verbrecher Foto bekomme, und meine Tasche nach Waffen durchleuchtet wird, spaziere ich durch das Regierungsgebäude, die Türsteher erklären mir freundlich den Weg, keiner fragt mich was ich will und wer ich bin. Ich laufe lange Gänge entlang, rechts und links Statuen von wichtigen Persönlichkeiten, die meisten tragen lange Haare und Strumpfhosen. Die Wände sind vertafelt, haben große Gemälde, oder tragen Inschriften.
Zu Raum 106 führt eine schwere Holztür. Leise öffne ich sie, unsicher, ob ich nicht in eine wichtige Sitzung platze, und mich gleich hunderte Menschen anstarren könnten.
Aber nichts der gleichen.
Zwei Frauen, eine jung, eine alt, beide tragen ein Kopftuch, das sie locker um ihr Gesucht gebunden haben sitzen da und unterhalten sich.
Sie begrüßen mich, und ich frage ob ich hier denn richtig sei. Ich kann keinen Pierre sehen. Das Treffen? Das beginnt um 11 erklären sie. Beide sind sie Flüchtlinge aus dem Iran, beide haben sie Brüder und die ältere sogar einen Mann verloren. Gefoltert und hingerichtet, weil sie gegen den Staat gekämpft haben. Die ältere erklärt mir, dass sie mit ihrer Tochter weg musste, nachdem an ihrer Universität ihre Politische Überzeugung verraten wurde.
Langsam beginnt der Raum sich zu füllen, und da erscheint auch Pierre, der mich knapp verpasst hat, und gewartet hat, weil er von meiner Verspätung überzeugt war.
Auf einem kleinen Tisch steht ein Foto von einem Mann, den ich auf Mitte 40 schätze. Die beiden langen Kerzen rechts und links davon lassen nichts gutes ahnen. „Wer ist der Mann?“ will ich wissen. Seinen Namen habe ich vergessen, ein fremd klingender iranischer Name. Er ist an den Folgen der Folter erlegen erklärt mir eine der Frauen.
Die Richter betreten als letzte den Raum, der jetzt bis auf den letzen Platz gefüllt ist. Nur ein paar sehen europäisch aus. Der Richter, flüstert Pierre mir zu, ist der frühere oberste Richter des Europäischen Gerichtshofs.
Er leitet die Sitzung ein, mit einem Brief. Er ist von einem jungen Mädchen. Sie schreibt, dass wenn sie ihren Vater besucht haben, hat er immer gelächelt. Nichts hat ahnen lassen, wie schlimm die Folter war. Er war immer der Jenige, der in den acht Jahren das schweigen, dass jedes Mal geherrscht hat gebrochen hat. Meistens haben sie über die Schule gesprochen, und er hat sie ermuntert, fleißig weiter zu lernen, dass er stolz sein kann auf sie.
Der Brief ist von der Tochter des Mannes auf dem Foto.
Die Menschenrechte, erhebt der Richter das Wort, sind nicht nur Sache eines Staates, die Menschenrechte betreffen uns alle. Werden sie verletzt, verletzt man das Recht eines jeden Menschen auf der Welt. Und wenn einem Menschen in dieser Hinsicht Unrecht geschieht, so ist es unser aller Pflicht, ihm zu helfen.
2001 wurde er inhaftiert, misshandelt und gefoltert, bis sie ihm 2008 den Schädel eingeschlagen haben und den Brustkorb aufgerissen haben. Etliche Knochen seiner Körpers waren gebrochen und zersplittert, so wurde er der Familie übergeben. Die Strafe, weil er als Menschenrechtler in der Opposition als Staatsfeind galt.
Er ist nur einer von 2 500 wie ich erfahre, und ich frage mich, wie ich jemals von mir behaupten konnte, hohe Ideale zu haben.
Die Folter, fährt er fort, dient dem Zwecke, Falschaussagen zu erzwingen, Angst zu schüren, und Exempel zu statuieren. Menschen, die so vorgehen, müssen Psychopathen sein, die Spaß daran haben, andere Menschen zu quälen.
Es folgt ein Video der Beerdigung. Leise Geigenmusik, dann arabische Musik, Flöten und Gesang. Männer und Frauen in schwarz begleiten einen Sarg, den man unter den vielen Blumen nur vermuten kann. An einem Altar liest eine Frau etwas vor. Ich erkenne den Text, es ist seine Tochter mit dem Brief. Eine große Leinwand zwischen Fackeln zeigt sein Foto, unter freiem Himmel stehen Tausende Trauernde vor der Bühne.
Ich höre ein Schluchzen, die Frau neben mir hat angefangen zu weinen, und auch viele andere können die Trauer nicht unterdrücken. Vielen rinnen Tränen über die Gesichter. Ich reiche der Frau ein Taschentuch, es ist kein angenehmes Gefühl, dass das im Moment alles ist was ich für sie tun kann.
Eine ältere Britin beginnt zu sprechen. Sie hat viele Städte im Iran bereits besucht, hat Opfer, und Familienmitglieder von Opfern getroffen. Sie kann über das Geschehen sprechen, sie kann versuchen dagegen zu kämpfen, aber sie wird nie fühlen können, wie es ist in einem solchen Staat zu leben, immer in der Angst, der nächste sein zu können…
Der Sohn, der später mit dem Richter telefoniert dankt ihm ununterbrochen. Wo er und seine Schwester jetzt sind kann ich nicht ganz verstehen. Er spricht kein Englisch, seine Schwester übersetzt. 8 Jahre Folter konnten seinen Willen nicht brechen. Das sind Menschen vor denen der Staat Angst hat. Und es sind tausende Menschen, deren Willen stärker ist als die Angst.
Den ganzen Tag noch und auch jetzt bekomme ich Gänsehaut, wenn ich daran denke. Die Frauen haben sich bei mir bedankt, dass ich dabei war und mich informiert habe. Ich verspreche darüber zu reden. Wir alle wissen, dass viele schrecklichen Dinge in der Welt passieren, und dass sich während dessen ein paar Regierungsköpfe um Öl streiten, aber wenn wir damit konfrontiert werden, dann fragen wir uns, warum uns das keiner gesagt hat bisher.
EddiinLondon - 13. Nov, 18:22