Vor einer Stunde kam ich nach Hause. Schreie mein „HELLOOO!“ durchs Haus, ist aber keiner daheim.
Hab Tony heute erklärt dass ich eigentlich nicht hergekommen bin um Handrails zu cleanen, und hab jetzt etwas anspruchsvollere Arbeit die darin besteht, Leute für die Galerie anzuwerben und ich hab schon ein paar gute Ideen.
Erstmal genieße ich aber meinen Day off morgen, Jenny hat mich heute mit einem „Oh my God! You look horrible“ begrüßt. Sie hat letzte Nacht auch gekellnert. Von nun an werden wir uns in der Galerie abwechseln, was ich wirklich bedaure, denn mit ihr zu plaudern macht wirklich Spaß. Aber sind hier ja nicht auf dem Pausenhof.
Zurück zur WG (ich bin vom Thema abgekommen…)
Ming, unser Vietnamese (ich war die erste die seinen Namen herausbekommen hat, er redet nicht gerade viel) kam kurze Zeit später, reagiert aber nicht auf mein erneutes „Hello!“, ich rufe noch mal und er fragt was denn sei? Nichts. Wieso er nicht reagiert habe? Er dachte ich telefoniere… schräger Vogel.
Den anderen beiden Jungs leiste ich gerne mal Gesellschaft, denn in ihrem Zimmer funktioniert die Internetverbindung von den Nachbarn dessen Passwort wir geknackt haben. Auch sonst haben sie ganz schön dazu gelernt. Vorgestern hat Andrea, der in der Regel morgens aufsteht, den Müll rausgebracht, und nicht nur vor die Tür, sondern rüber zu den Containern. Phillipe steht meistens Mittags auf, er scheint sein Bett zu mögen denn da trifft man ihn fast immer an, mit dem Laptop auf seinem Bauch, einen Film schauend. Die beiden waren, bevor sie nach England gekommen sind beide ein halbes Jahr in Hamburg und haben seit dem eine Schwache für Lind Schokolade und Schnitzel. Gestern Abend haben wir uns deswegen überlegt eine Schnitzelparty zu veranstalten.
Ricardo, ist ein verwirrter Kunststudent, der nicht nur meinen Musikgeschmack teilt. Leider zieht er bald um nach Bethnal Green. Er sagt da sei mehr los. Kann ich gut verstehen. Letztens hat er es geschafft drei mal aus dem Haus zu gehen, und zwei mal gleich wieder zurück zu kommen, weil er irgendwas hatte liegen lassen, man sieht ihn oft durchs Haus rennen auf der Suche nach seinem Hausschlüssel... ihr wisst also was ich meine...
Ich selbst habe heute das Kabel für meinen Laptop sowie meine Digicam in der Galerie liegen lassen und jetzt ist die Batterie leer. Ming, der in die Küche kommt um sich einen Kaaba zu machen fragt mich ob ich es für was wichtiges brauche und ich sage dass ich Articles schreibe, was ja im Grunde auch der Wahrheit entspricht wenn auch etwas wichtiger ausgedruckt als es wirklich ist. Sofort bietet er mir seinen an, er hat zwar einen von Apple, ber Windows Office funktioniert genau gleich. Erstaunt aber doch sehr erfreut nehme ich sein Angebot an, und nehme mir vor ihn auf unsere Schnitzelparty einzuladen wenn ich ihm seinen Laptop zurückgebe.
EddiinLondon - 13. Okt, 22:41
Nachdem ich es gestern endlich geschafft hatte im Victoria Park joggen zu gehen (und geschockt feststellen Musste, dass mir bereits nach 30 Minuten die Puste ausging) und einer Kalten Dusche Dusche(ich weiß noch immer nicht wie man bei den Duschen hier die Temperatur einstellt) ging’s los in Richtung Mile End Station. Mein Ziel war die Old City Road, genauer gesagt, die Kneipe gegenüber der Bushaltestelle, vor der sich unter dem Paulaner Wappen Japanerinnen in Dirndl und Australier in Lederhosen tummelten.
Nein, ich bin nicht wieder zurück nach Deutschland, ich spreche hier vom Bavarian Beer House. Mit einer viertelstündigen Verspätung (die Tube war geschlossen an diesem Sonntag und ich musste den Bus nehmen) kam ich an meinem ersten Arbeitstag an, guter Dinge und nichts ahnend von der Hektik die mich noch erwarten würde.
Nachdem ich schnell in meine Arbeitsuniform geschlüpft bin, ein rotweiß kariertes Dirndl mit weißer Schürze und blauem Rock erfahre ich dass ich nicht nur die verabredeten 3 Stunden da bleiben soll um eingearbeitet zu werden, Eva aus Frankfurt, die andere Neue, die ich bereits beim Vorstellungsgespräch kennen gelernt habe und ich sollen eine ausgefallene Kraft ersetzen, bekommen die Skihütte, den kleinsten Raum im Beer House zugewiesen, und los geht’s!
Die ersten 4 Maß sind ganz leicht zu tragen, und die ersten zwei Tische mit 3 oder 4 Gästen easy zu bedienen, aber ehe wir uns versehen ist die Skihütte brechend voll, überfüllt mit grölenden Australiern und auf den Tischen tanzenden Japanern, die Bier am laufenden Band bestellen und total begeistert sind von Vodka Brause.
Mit den jetzt schon 6 oder 7 Maß die wir durch die 3 anderen Räume des Beer Houses tragen müssen kommen wir kaum noch durch, wir schreien gegen die Gäste und DJ Ötzi an um uns Platz zu verschaffen. Auf meiner Weißen Bluse Jägermeister und Bier, Bratensoße und Ketchup auf meiner Schürze. Öfters werden wir eingeladen, und dürfen auch, anders als ich es aus Deutschland gewohnt bin mittrinken, wir lächeln für Fotos und bringen den lallenden Touristen „Bitte ein Maß Bier!“ bei.
Mein Handheld womit ich die Bestellungen aufnehme hat nicht nur ziemlich schlechten Empfang, die Batterien sind auch leer, die Gäste ordern schneller als ich rennen kann und ich komm ganz schön ins Schleudern, vergesse das Besteck zum Essen, ordere manches doppelt und vergesse dafür andere Bestellungen. So stressig hab ich mir den Spaß nicht vorgestellt. Ein Glück hilft mir Eva, bei der das ganze viel Souveräner aussieht.
Zeit um selbst was zu trinken hab ich kaum, aber ich könnte sowieso nicht auf die Toilette. Langsam werde ich hungrig, als ich heute morgen um zehn mein Müsli gegessen habe, hatte ich noch nicht damit gerechnet, so lange zu arbeiten und meine Uhr sagt mir dass es bereits 7 ist, und die Stimmung hat gerade mal ihren Höhepunkt erreicht.
Schweinehaxen, Schnitzel und Currywürste gehen nur so über die Theke, die Gäste werden ja auch hungrig.
Als die Hütte sich gegen neun zu leeren beginnt, weil kein Bier mehr ausgeschenkt wird und wir die Restlichen Kässpätzle aus der Küche bekommen auf die ich mich sofort stürze und drei Mal nachschlage, bin ich erleichtert zu hören dass Mittwoch, mein nächster Arbeitstag bestimmt ruhiger wird.
Nach Feierabend sind Eva und ich, trotzdem wir total geschafft sind einig, dass wir noch was trinken gehen müssen, und machen uns auf in Richtung Brick Lane um in der Vibe Bar auf unseren ersten Tag anzustoßen. Prost!
EddiinLondon - 13. Okt, 17:36
Als ich gegen neun zuhause ankomme, wartet Ricardo schon auf mich, und gratuliert mir zum Geburtstag. Eigentlich wollten wir noch auf n Drink weggehen, aber das pack ich heute wirklich nicht mehr.
Also sitzen wir, schon wieder mit Kuchen und Tee bei mir im Zimmer (ein Wohnzimmer haben wir ja nicht) hören Musik, schauen uns Fotos von unseren Arbeiten an (er gehört auch zu den 70 Prozent), diskutieren zuerst über Elektronische Musik, Punk, und Künstlerdasein, später über Geschichte und letztendlich über Politik, Frau Merkel, Berlusconi, Bush, Hilary Clinton und Obama...
So geht also auch mein 21. Geburtstag zu Ende. Schon fast gewöhnlich.
EddiinLondon - 13. Okt, 16:27
Vielen lieben Dank für die lieben Geburtstagsgrüße! Danke, Mama, Papa, Roland für das Geschenk und den geschickten Kuchen und Cornel &Chor, Danke für das Geburtstagsständchen!
Und natürlich danke an die Geburtstagsposse, dank der ich auch hier im großen London nicht ganz alleine gefeiert habe.
Ganz nüchtern betrachtet bin ich gerade mal zwei Wochen weg, keine anderthalb Flugstunden, und trotzdem hab ich dieses Jahr meinen 21. Geburtstag sozusagen „alleine“ gefeiert.
Allein war ich ja eigentlich nicht. Kann man denn in der größtem Stadt Europas von allein sein sprechen? Gestern Abend habe ich mit Annika, Angie, Norman, Nina, Jenny, Gordon, Carol und noch ein paar Freunden von den Mädels reingefeiert.
Zuhause hätten wir wahrscheinlich mit einem Vodka Absolut Citron vorgeglüht, um dann Kuba zu befreien, bis wir irgendwann in den Morgenstunden komplett durch nach Hause gekommen wären, mit dem euphorischen Gefühl mal wieder ne richtig geile Partynacht gehabt zu haben, auch wenn man sich am nächsten Morgen nicht mehr ganz an alles erinnern kann und den ganzen Tag mit einem sehr lauen Gefühl im Magen Und einer Pelzigen Zunge vor dem PC, Fernseher oder was auch immer gegen den Kater ankämpft.
Als ich mich heute am späten Nachmittag auf den Weg in die Stadt mache um bei Jenny mit dem ausgeborgten Hammer, mit dem ich hier im Zimmer ein paar Bilder aufgehängt habe und Kuchen vorbei zu schauen hab ich Bleifüße. Mein Gehirn steht heute auf Standby, und auch mein Magen will nicht so ganz.
Für meine Urgroßmutter ist an einem Feiertag ein anständiges gutes Essen selbstverständlich, und als sie mich anruft um mir zu gratulieren und sich nach meinem Geburtstagsmahl erkundigt kaue ich auf einem Lachsbeagle rum. Irgendwann hab ich mal gelesen so was hilft gegen den Kater.
Ich ziehe weiter zu den Mädels, wo wir alle drei im Wohnzimmer mit unseren Laptop auf dem Schoß und einer Tasse Tee da sitzen und den Kuchen, der aus der Heimat kam essen.
Die Mädels erkundigen sich via Internet nach den aktuellen Singles in Putney, ich lese mich durch die Zahlreichen Geburtstagsgrüße, überrascht, wie viele heute doch an mich denken.
21 Stunden vorher beginnen Norman und ich nachdem wir etwas verspätet eintreffen und die anderen begrüßt haben beginnen wir den Abend mit 2 doppelten Vodka Zitron. Schon viel besser! Als ich mein Cashback in die Hand bedrückt bekomme schaue ich doch etwas verwundert auf die 7 Pfund, die von den 20 übrig sind. Mit den Schultern zuckend denke ich mir “London…“ und Norman ordert eine Runde Havanna Cola.
Die Party im Sugar Hut war Annikas Idee, und eine ziemlich gute noch dazu.
Zusammen mit Ninas Abschied, der wie ich für sie hoffe nicht für immer ist (Mädel, du gehörst nach London!) trinken wir ausgelassen und tanzen.
Die nächste Überraschung sind die Toiletten. Als ich nach Ladys suche erklärt mir James, ein gutaussehender dunkelhäutiger Toilettentürsteher, dass die hier Unisex sind. Ein Mädchen verlässt eine Kabine, ich gehe rein und stoße mit ihrer männlichen Begleitung zusammen, die unerwartet noch in der Toilette steht.
Was ich bereits aus ein paar Berliner Klubs kenne, finde ich am Waschbecken im Übermaß wieder. Parfum von CK, Chanel oder Laurent, Haarspray, Haar Gel, Abschminktücher, Slipeinlagen, und was man sonst noch in jeder gut ausgestatten Kosmetikecke jedes Drogeriemarktes kennt, steht ordentlich sortiert auf dem Tisch neben James, der mit ein Papierhandtuch reicht.
Um 12 wird erstmal gratuliert und kurz darauf klingelt mein Handy, mit dem ich nach draußen renne um etwas zu hören. Meine Eltern haben bis um eins deutscher Zeit gewartet, um mir nicht „vorträglich“ zu gratulieren.
Einige Drinks später, (obwohl ich dem Barkeeper immer gleich viel Geld in die Hand drücke, fällt das Cashback jedes Mal anders aus… Londoner Creativity? ) als wir bereits auf Tablewater umgestiegen sind (welches hier, anders als in Deutschland umsonst ist), müssen wir plötzlich feststellen, dass wir die letzen Gäste sind, was ja an für sich nichts ungewöhnliches ist, hinsichtlich der Uhrzeit dann aber wieder doch, denn meine Armbanduhr sagt, dass es 2:30 morgens ist. Und das ist keine Uhrzeit um nach Hause zu gehen. Nicht für mich! Nicht heute!
Nachdem die Mädels die Heimreise angetreten haben, (was ich zu dem Zeitpunkt garnichtt wirklich realisiert habe) entscheiden Norman und ich uns spontan nach einer neuen Location zu suchen. Mein Vorschlag kommt promt, am Nachmittag bin ich bei meiner online Recherche auf die T-Bar in Scoreditch gestoßen, die von der Brick Lane gleich um die Ecke ist. So ‚n Elektronischer Schuppen, denke ich mir, der wird ja schon bis morgens aufhaben.
Dort angekommen ist es gerade mal halb 4, aber wir stehen vor geschlossenen Türen…
„What the Hell?“ denke ich mir! Mit 7 Promille und durchgefrorenen Zehen finde ich es so gar nicht komisch, aber meine Geburtstagslaune will ich mir dadurch auch nicht verderben lassen.
Und jetzt? Mir fällt mein Geburtstagsgeschenk ein, das zuhause noch verpackt in der Küche liegt, zusammen mit meinem Lieblingskuchen, Kokoswürfel, ein Traum sag ich euch!
Nach also einer weiteren halbstündigen Nachtbusfahrt kommen wir in Bow an, und nach der Busfahrt merke ich auch langsam dass ich müde geworden bin.
Nachdem ich also meinen letzen Geburtstagsgast um halb 6 rauswerfe und mit einem Tubeplan Richtung Bow Station schicke falle ich, 21 Jahre alt in mein Bett, schlafe ein und träum eigenartiger Weise das erste Mal von zu Hause. Im Traum haben meine Eltern mir einen früheren Flug gebucht, und ich muss sofort zurück nach Deutschland um meine Sim-Karte zu suchen, die ich schon am Abend zuvor verlegt habe. Total verwirrt wache ich viel zu früh um halb neun morgens auf, um mich auf die Suche zu machen, in der Befürchtung sie verloren zu haben und somit dieses Jahr keine Geburtstagsgrüße zu bekommen!
Die 5-Stündige, letztlich aber doch erfolgreiche Suche beginnt…
EddiinLondon - 13. Okt, 16:04