Wenn man in London einen jungen (oder auch älteren) Menschen fragt was er ist, oder zumindest was er hier macht bekommt man zu 70 Prozent eine der folgenden Antworten:
1.Künstler, 2. Designer, 3. Musiker
Und es scheint auch eine Kunst für sich zu sein aus dem ganzen Londoner Leben eine einzige Party zu machen. So hatten wir gestern ein Gallery- Opening mit Freibier (wie die hier alle Verrückt auf Export sind…) und schon fast Schwabentreu dem Motto “Mr glaubt garit was in eine nei basst wenn’s umsuscht is“ ham se gesoffen wie die Weltmeister.
Unsere Aufgabe war denn also auch nurnoch für Nachschub zu sorgen und die leeren Flaschen wegräumen, die sich in Rekordgeschwindigkeit gestapelt haben. Demzufolge wurde dann auch die Stimmung immer ausgelasseer, es wurden die absurdesten Theorien aufgestellt, das Publikum, dass ja auch zu 70 Prozent aus Künstlern jeder Art bestand, die teilweise in der Nettie Horn ausgestellt haben, teilweise noch, oder wieder ausstellen werden plauderte Flaschenverschlingend munter über Gott, die Welt, die Kunst und das Leben.
Ein älterer bärtiger Mann der mich auf Grund seiner kaputten und dreckigen hellbraunen Hose, einer beigen Strickweste mit Löchern so groß wie seine Taschen aus denen andauernd Nägel herausfallen die er dann taumelnd versucht aufzuheben mehr an einen Obdachlosen oder Langstreicher erinnert, sagt was, das keiner versteht und lacht sich dabei kaputt. Er hat sich zu Tony gestellt, der ihm wohl auch nicht ganz folgen kann. Neugierig stelle ich mich dazu, und Tony erklärt dass der Mann deutsch spreche, und endlich erkenne ich ein „Staubsauger“. „Schaubschauber“ sagt er wieder und lacht Tränen. „even better“ bringt er raus, „Uneeseebut“ keucht er, und erklärt Tony „Submarine“. Tony versucht zu wiederholen, und lacht mit, ich laufe weiter.
Um neun ist eigentlich Feierabend, aber da immer noch Bier ausgeschenkt wird will auch keiner heim gehen.
Als wir dann nach 10 endlich aufgeräumt, gefegt und gewischt haben mache ich mich mit Jenny auf den Weg zur Tube. Eigentlich wollte ich morgen endlich im nahe gelegenen Victoria Park joggen gehen, und mir am Nachmittag ein paar Gallerien mit Jenny ansehen, aber Tony hat vergessen dass er uns beiden einen freien Tag gegeben hat. Also muss ich doch herhalten, um am Samstag frei zu bekommen. Und auf einmal frage ich mich wieso ich an meinem Geburtstag eigentlich einen Day off habe, wenn ich sowieso allein bin.
Auch das endlich eingetroffene Besteck in der Wohnung kann mich plötzlich nicht mehr aufmuntern, und ich lege mich ins Bett, hör traurige Musik und schlafe ein.
EddiinLondon - 10. Okt, 13:19
Raus aus der deutschen Residenz!
Seit gestern bin ich offizielle Mitbewohnerin („Flat mate“) einer Multikulturellen WG, die aus zwei Brasilianern, einem Italiener und einem Vietnamesen besteht.
Mein erster Eindruck war, im Vergleich zu den anderen Wohnungen die ich bisher gesehen habe recht gut, weshalb ich gleich zugesagt und den Vertrag unterschrieben habe.
Mein zweiter Eindruck war dann doch etwas kritischer: Männer WG- ALARM! (I am not amused!)
Dreckige Socken, ungewaschenes Geschirr, schmutzige Armaturen und siffiger Herd verpisste Klobrille, verkalktes Bad, dreckiges Waschbecken, und schmutzige Fußböden. Aber nichts was Mr. Muscle (das englische Pendant zu Meister Proper) nicht in den Griff bekommen könnte. Deswegen habe ich mich dann heute Morgen nach meinem Frühstück guter Dinge an die Grundreinigung der mir zustehenden Bereiche gemacht. Heißt: FRÜHJAHRSPUTZ!
Mit dem wenigen mir zur Verfügung stehenden Putzzeug, Handschuhen und dem aus der Agentur geklauten Putzschwamm (als ich die angebrochene Packung neuer Schwämme gesehen habe hab ich mir gleich gedacht, “man weiß ja nie…“) hab ich angefangen zuerst Geschirr, Armaturen, Herd, Ofen und Fußboden sauber zu machen. Dem ist das Bad gefolgt, Dusche, Waschbecken, Badewanne… Leider ist Mr. Muscle nicht ganz so stark wie er beworben wird, ohne mich wäre er aufgeschmissen gewesen!
Die Flasche in der Hand spreche ich als zu dem Glatzkopf auf der Verpackung „haste ja doch nich so viel aufm Kasten wie de denkst“, aber ich glaube das ist ihm egal.
Immerhin sind nach langem Schrubben die Haare aus dem Bad verschwunden, die Kalk und Siff- Ränder, die in der Dusche klebenden Kaugummis, und der ganze restliche Müll sowie leere Schampoflaschen und Seifenverpackungen.
Mein Mitbewohner, der jetzt erst aufsteht schaut sich das ganze an und ist sichtlich beeindruckt. „I just did some cleaning“ erkläre ich ihm. „Nice“, antwortet er und tapst verschlafen in die Toilette. Ich rufe ihm noch hinterher „And I expect you to keep it clean!“ und hab mich noch nie so deutsch gefühlt wie jetzt.
Nachdem er auch die Küche bewundert hat , wo ich altes vergammeltes Essen, vergorene Milch und altes Brot weggeschmissen habe, stimmt er mir zu, einen Putzplan für alle Mitbewohner zu machen, und ein paar Regeln aufzustellen, die solche Reinigungen von nun an etwas erleichtern sollen.
Sein Brasilianischer Kumpel, der noch im Bett liegt, sieht das auch nicht anders, aber wie das ganze in der Praxis aussehen soll, daran müssen wir sicher noch arbeiten.
Sonst ist gegen meine Mitbewohner nicht viel einzuwenden. Ricardo aus Italien arbeitet nebenher in der Tate Modern und macht selbst Kunst, überall stehen Bilderrahmen und Leinwände von ihm rum.
Was der Vietnamese macht, von dem ich noch nicht mal einen Namen weiß, hab ich keine Ahnung. Und die Brasilianer Phillipe und (ich glaube) Andrej studieren. Sie bleiben, wie auch der Namenlose Vietnamese, der nicht älter als 15 aussieht bis Dezember. Ricardo wird bald wieder ausziehen, weshalb ich die Hoffnung habe bald weibliche Unterstützung zu bekommen.
Zusammen warten wir jetzt nur noch auf die Kücheneinrichtung, die momentan nur spärlich vorhanden ist (ein kleiner Topf, eine Pfanne, 4 Teller, 4 Gläser, 4 Tassen, ein Brotmesser, und ein Nudelsieb), und einen Spiegel im Bad(auch wenn ich nicht weiß wo man den noch anbringen soll),Mülleimer (wir haben weder in der Küche, noch im Bad oder in der Toilette, geschweige denn in unseren Zimmern welche), sowie Schlösser an unseren Türen, für die wir 25 Pfund hätten zahlen müssen wäre ich nicht noch mal in der Wohnungsagentur vorbeigegangen um denen zu erklären dass ich dafür schon mit meiner Miete reichlich genug aufkomme, und, sollte die Kücheneinrichtung nicht bald vollständig sein, nicht bereit bin die vollständige Miete zu zahlen (was bei ner unvollständigen Wohnung ja auch Sinn macht). Schließlich sind Lebensmittel hier relativ teuer, und Essen gehen ist gar nicht erschwinglich! Sowieso schmecken die Sandwiches hier scheiße.
Glücklicherweise hab ich ein Notfall Besteckset bei mir, haben viele gelacht als sie es gehört haben, jetzt müsst ich mit n Fingern essen, hätte ich es zu Hause gelassen!
Mein Nächstes Ziel für heute heißt Primemarkt und auf meinem Einkaufszettel stehen:
Geschirrtücher
Putzschwämme
Essigreiniger
Waschmittel
Wäscheleine
Wäscheklammern
Ich sollte mir überlegen an der nächsten Wahl zur Miss Germany teilzunehmen…
EddiinLondon - 10. Okt, 00:07
Jetzt sind es immerhin schon 11 Tage, seit ich auf der Insel gelandet bin, und seit einer knappen Woche hab ich nichts mehr von mir hören lassen.
Das lag nicht nur daran, dass ich oft Probleme mit dem Internet habe und sich zudem auch meine Tastatur verstellt hat, sodass ich auch offline nicht weiter schreiben konnte (Nach einem Notruf in der Zentrale „Papi haben wir auch dieses Problem gelöst!- Danke!), sondern auch daran, dass ich beschäftigt mit allem Neuen, abends in der Regel zu müde war, um mich noch mal an den Laptop zu sitzen, oder Pub- und Bar Besuche mich abgehalten haben.
Meine Wohnungssuche ist erfolgreich vorangeschritten, nachdem ich von einigen Viewings ganz schön verzweifelt nach Hause gekommen bin.
Marode Bruchbuden, mit dreckigen Küchen, wo sich auf den Armaturen altes Essen und dreckige Teller, Pfannen und Gläser gestapelt haben, nach Kompost riechend und wahrscheinlich von Kakerlaken bewohnt, Backöfen wo man schon von außen erahnen konnte, dass man sie besser gar nicht erst öffnet, die Wände mit Fett verspritzt und Fußböden auf denen man wirklich festklebt. Bäder mit verschimmelten Fließen, braunen Duschen, oder ebenfalls angeschimmelten Duschvorhängen (die Waschbecken sahen auch nicht besser aus), und Toiletten, die aussahen als ob sie zusammenbrechen könnten wenn man sich drauf setzt (wobei da ohnehin keiner mehr auf die Idee gekommen wäre sich zu setzen), Teppichböden, wie man sie aus diesen Talkshows mit dem Motto „Widerlich- Du lebst wie ein Messie!“ kennt und Matratzen, die rochen als hätte sie einer kräftig durchuriniert, in der Nase brennend und Brechreiz erregend. Die Zimmer waren oftmals verdammt klein und nicht selten ohne Fenster, die Umgebung Slums gleichend oder/und von Rohbauten umgeben, von denen Baustellenlärm sich einen Dezibel-Wettkampf mit den vorbeiratternden S- Bahnen lieferte.
Andere Zimmer bekam ich gar nicht erst zu Gesicht, weil man mir die Tür mit dem Satz: “Oh, it’s just gone“ geöffnet hat, nachdem ich mir in der Galerie Jenny zwei oder drei Stunden allein gelassen habe um mal „kurz“ in Zone 3 (was mich extra kostet, da mein Ticket nur bis Zone 2 gilt) zu fahren.
Dazu kam dann auch, dass meine Erkältung, die ich teils noch von zu Hause mitgebracht habe zu einer Nierenentzündung, oder Blasenentzündung ausgeartet ist, sodass ich alle 5 Minuten, oder noch öfter eine Toilette aufsuchen musste, was nicht gerade leicht ist, wenn man 20 min in einer Tube sitzt, bis man umsteigen kann.
So musste ich mir meine Ruten so legen, dass ich zumindest an den Stationen umsteigen kann, wo es öffentliche Toiletten hat, die (clever wie die Engländer sind) 30 Pennys wollen.
Nur hat man hier irgendwie immer 20 Pennys in deiner Tasche, die Automaten geben kein „Cashback“, und wechseln nur 1 Pfund, oder 50 Penny Münzen, was daraus folgend mich jedes Mal 40 Penny kostet. Bei meinen 100 Pipistops täglich hochgerechnet also… gut, lassen wir das…
Um meinem Customer of the Week der Liverpool Street Station Toilette ein Ende zu setzen bin ich also schließlich dem Rat von Jenny gefolgt, hab meine Eigenmedikation mit Wick Daymed beendet und mir in der Apotheke was gegen meine Blasen, Nieren oder was auch immer Entzündung geben zu lassen, und angefangen Cranberrys (Preiselbeeren) in jeder Form zu mir zu nehmen, hier schwören alle drauf. Bekommt man als Saft in jedem Supermarkt, frisch(hier gibt’s sogar noch frische Erdbeeren!) oder getrocknet wie Rosinen (mach ich mir jeden Morgen in mein Müsli). Und wahrhaftig, zwei Tage später geht’s mir schon viel besser!
Als nächstes werde ich die Deutsche Residenz verlassen, und mich ins Multikulturelle Londoner Leben stürzen, denn auch meine Wohnsituation hat sich geändert. Aber dazu beim nächsten Mal mehr…
EddiinLondon - 10. Okt, 00:02